Der Moment der Wahrheit

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die (Ohn-)Macht der Medien

Der Grat zwischen einer gelungenen und einer misslungenen Recherche ist schmal. Die preisgekrönte Journalistin Mary Mapes (Cate Blanchett) erfährt das 2004 am eigenen Leib, als ein Fernsehbeitrag über George W. Bushs Militärdienst sie ihren Job kostet. James Vanderbilt hat die Ereignisse in Der Moment der Wahrheit aufgearbeitet.
Wirklich gute Filme über investigativen Journalismus sind eine Seltenheit. Alan J. Pakulas Die Unbestechlichen ist einer davon. Robert Redford spielte darin einen Reporter der Washington Post, der an der Aufklärung der Watergate-Affäre beteiligt war. Um unbestechliche Medienvertreter und US-Präsidenten geht es auch in Der Moment der Wahrheit. Drehbuchautor James Vanderbilt, der für so unterschiedliche Filme wie David Finchers Zodiac (2007) oder Roland Emmerichs White House Down (2013) in die Tasten haute, hat sich für sein Regiedebüt eine heikles Stück Journalismus der jüngeren Vergangenheit herausgepickt. Und auch hier spielt Redford eine gewichtige Rolle.

Der bald 80-Jährige gibt Dan Rather, einen Recken des investigativen Fachs, der sich durch seine hartnäckige Berichterstattung während der Watergate-Affäre einen Namen machte. Seit 1981 ist Rather das Gesicht der Abendnachrichten beim Fernsehsender CBS. Dem desillusionierten Nachwuchs redet er weise ins Gewissen. Zu Kollegin Mary Mapes pflegt er ein beinahe väterliches Verhältnis. Die bedarf seines Rats aber erst später. Zu Beginn des Dramas schwimmt sie noch auf einer Erfolgswelle. Erst im April 2004 hatte die von Mapes produzierte Mittwochsausgabe des renommierten Nachrichtenmagazins 60 Minutes die Folter im US-Militärgefängnis Abu Ghraib aufgedeckt. Im Juni nimmt Mapes nun den Militärdienst des amtierenden Präsidenten George W. Bush unter die Lupe. Ein brisantes Thema mitten im Wahlkampf, zumal der Mutterkonzern ihres Senders von einer Entscheidung der Bush-Administration profitiert. Gerüchte kursieren schon lange, nun verdichten sich jedoch die Hinweise, dass der erste Mann im Staat als junger Mann nicht nur von familiärer Einflussnahme profitiert, sondern sich auch unerlaubt von der Truppe entfernt haben könnte.

Für ihre Recherche hat Mapes eine schlagkräftige Truppe beisammen. Gemeinsam mit dem ehemaligen Oberstleutnant Roger Charles (Dennis Quaid), der Journalismus-Dozentin Lucy Scott (Elisabeth Moss) und dem freien Journalist Mike Smith (Topher Grace) wälzt Mapes Aktenberge, fühlt potenziellen Quellen auf den Zahn und erhärtet nach und nach die Anschuldigungen. Als 60 Minutes auf Sendung geht, ist sich das Team seiner Sache sicher. Nur wenig später gerät es in Erklärungsnot. Ein Internet-Blog bezeichnet eines der im Beitrag angeführten Dokumente als billige Fälschung. Andere Medien springen auf. Alle noch so schlüssig vorgetragenen Gegenargumente der 60-Minutes-Redaktion verpuffen. Verschwörungstheorien und Hasskommentare folgen, die Mapes Parteiname, Böswilligkeit und schlampige Recherche unterstellen. Das Kinopublikum weiß es besser. In diesem Sturm der Entrüstung, den man heute wohl als shitstorm bezeichnete, ist Dan Rather als ruhender Pol gefragt. Aber auch der erfahrene Fernsehmann kann die Abwärtsspirale nicht aufhalten.

Der Moment der Wahrheit ist nach Spotlight in diesem Jahr bereits der zweite gelungene Film, der den Zuschauern die Bedeutung und Arbeitsweise des Journalismus vor Augen führt. Es scheint, als besinne sich das Kino in der (Vertrauens-)Krise der Medien auf deren Tugenden. James Vanderbilt zeigt die journalistische Recherche minutiös, beleuchtet das gewissenhafte Abklopfen der Fakten und das Prüfen der Quellen ebenso wie Versäumnisse, die dem Zeitdruck, dem Sendeplan und der Konkurrenz mit anderen Medien geschuldet, aber letztlich nicht entschuldbar sind.

Vanderbilts Erzählhaltung ist allerdings eine völlig andere als die seines Kollegen Tom McCarthy in Spotlight. Während McCarthy seine Geschichte mit einer souveränen Beiläufigkeit inszeniert und gerade daraus seine Spannung zieht, bedient sich Vanderbilt hierfür immer wieder formaler Mittel. Fast scheint es, als traue er seinem Publikum nicht zu, eigene Schlüsse zu ziehen. Das fängt mit der Lichtsetzung an, die je nach Stimmungslage zwischen warmen und kalten Farben wechselt, setzt sich in der Musik fort, die einen emotionalen Leitfaden vorgibt, und gipfelt in exponierten Monologen, in denen die Journalisten wahlweise einen Abgesang auf ihr Metier anstimmen, eine nostalgische Geschichtsstunde darüber halten oder eine Lanze dafür brechen. (Elisabeth Moss kommt hier, wie leider im gesamten Film, allerdings zu kurz. Und das, obwohl ihre Figur noch verheißungsvoll als CBS-Veteranin angekündigt wurde.) Diese kleinen Momente der Wahrheit sind zwar gelungen, im Fall von Mary Mapes Schlussplädoyer gar virtuos inszeniert und mit historischer Bedeutung grundiert, schrammen aber stets nur knapp am Pathos vorbei.

An Spotlight reicht Der Moment der Wahrheit nicht heran, bedeutend ist Vanderbilts Drama dennoch. Schließlich beleuchtet es auch die Kehrseite der journalistischen Medaille. Es zeigt, wie schnell eine gelungene Recherche in sich zusammenbrechen kann, wenn sicher geglaubte Quellen unter dem politischen und öffentlichen Druck einknicken. Es zeigt, welche Auswirkungen dieser Druck auch auf die Journalisten ausübt. Hier verleiht in erster Linie Cate Blanchetts starke, facettenreiche Darbietung dem von Außenstehenden oft als hart empfundenen Journalismus eine menschliche Seite. Und nicht zuletzt zeigt Der Moment der Wahrheit die Mechanismen zu Beginn einer sich verändernden Medienlandschaft. Watergate hat Richard Nixon das Amt gekostet, weil Journalisten beharrlich an der Aufklärung der Affäre weiterarbeiten durften. Mary Mapes und ihrem Team war dieses Glück drei Jahrzehnte später nicht mehr beschieden, was wiederum zum Glücksfall für George W. Bush geriet. Mapes Scheitern ist zum Teil selbst ver-, zu großen Teilen aber auch der Meinungsmache im Netz geschuldet. Das macht Der Moment der Wahrheit letztlich auch zu einem Lehrstück über die Macht des Internets. Die traurige Erkenntnis: Ist der Zweifel erst einmal gestreut, sind die Fakten zweitrangig. Der Gesamtzusammenhang, wie schlüssig und erdrückend die Beweislast auch sein mag, tritt hinter den Details zurück.

Der Moment der Wahrheit

Der Grat zwischen einer gelungenen und einer misslungenen Recherche ist schmal. Die preisgekrönte Journalistin Mary Mapes (Cate Blanchett) erfährt das 2004 am eigenen Leib, als ein Fernsehbeitrag über George W. Bushs Militärdienst sie ihren Job kostet. James Vanderbilt hat die Ereignisse in „Der Moment der Wahrheit“ aufgearbeitet.
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