Der letzte Applaus - Ein Leben für den Tango

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Menschen, die eine besondere Passion besitzen, per Kinoblick zu folgen, hat etwas für sich. Ganz besonders, wenn es sich um die Regiearbeit des Argentiniers German Kral handelt, der damit den alternden Tangomusikern der „Bar El Chino“ in Buenos Aires ein liebevolles Porträt gewidmet hat.
Ein letzter Applaus muss so ungefähr das fürchterlichste sein, was ein Künstler erleben kann. Meist ist es einem nicht bewusst, denn man glaubt ja immer, dass es weiter- und vorwärts geht, aber die Musiker und Musikerinnen dieses Dokumentarfilmes erleben ihn, den letzten Applaus, und dennoch schwimmen sie sich frei aus der Altersfalle und den Zukunftsängsten. Gerade im Genre des Tangos ist die nachwachsende Generation angewiesen auf das Wissen und die Vergangenheit der Älteren. Dadurch können sie lernen, adaptieren und nicht zuletzt wachsen. Der Film ist aber weitaus mehr als die Generationen übergreifende musikalische Kollaboration, denn er schildert die unterschiedlichen Leben zwischen Armut und Hoffnung, zwischen Leidenschaft und Melancholie, zwischen Kunst und Vermarktung. Sei es, dass der 65-jährige Julio César Fernán immer noch bei seiner Mutter lebt, sich seinen Lebensunterhalt als Straßenmusiker verdingt und nebenbei Womanizer und Charmeur ist. Oder Inés Arce, die während ihrer Ehe festgestellt hat, dass sie eigentlich nur singen will, dies letztendlich auch in der besagten Bar tat, und sich durch die Musik ein Leben jenseits der Familie aufbaute. Und nicht zuletzt die charismatische Diva Cristina de los Ángeles, die ihr Publikum jederzeit mit Charme und begnadeter Stimme in ihren Bann zieht und sich selbst gerne dramatisch in Szene setzt.

Neben den Einzelschicksalen, die von der Wirtschaftskrise maßgeblich beeinflusst sind, geht es nicht zuletzt auch um die Existenz dieser ungewöhnlichen „Bar El Chino“, die in den fünfziger Jahren eröffnet wurde und scheinbar Lebensgefühl par excellence versprühte. Besitzer der Bar, der 70-jährige El Chino, alias Jorge García, war Lebenselixier für seine Gäste, und das Bedauerliche daran ist, dass sich dieses besondere Flair mit seinem Tod im Jahr 2001 verflüchtigte. Er hinterließ neben den trauernden Stammgästen seine Witwe Delfina, die es nicht schaffte, den Geist der Bar aufrechtzuerhalten. Charisma und Ausstrahlung fehlten der Frau, und der einst so gut besuchte Laden verfiel dem Untergang. Genau dies hält German Kral fest, hält die Kamera auf die Menschen, die zwischen Songs und Saiten gefangen sind. Jenseits von Wohlstand und Luxus geht es ihnen niemals um Geld oder Gage, sondern immer nur um eines, um die Musik. Singen und Selbstdarstellung ist der Motor jedes Einzelnen dieses Dokumentarfilmes, und die Lust am Tango und das „Singen müssen“ ist für sie wie eine schmerzlich-schöne Sucht. Am liebsten natürlich in der „Bar El Chino“, aber wenn es dort nicht mehr geht, dann eben an einem anderen Ort dieser Welt.

Bei all der Vergänglichkeit bringt die Nachwuchsband „Orquesta Típica Imperial“ zukunftsweisende Hoffnung, denn diese jungen Leute zeigen Interesse an den musikalischen Wurzeln ihres Landes, laden die ehemaligen Sänger und Sängerinnen der „Bar El Chino“ ein, um mit ihnen gemeinsam zu musizieren. Die Verblüffung auf beiden Seiten ist groß, denn das, was die einen an Tradition und Weisheit mitbringen, ergänzen die anderen durch Innovation und Kreativität — der Startschuss für ein modernes und gleichzeitig traditionelles Musikprojekt.

Der Film kam zustande, da Doris Dörrie dem Regisseur Ende 1999 den entscheidenden Hinweis zu dieser ganz besonderen Bar in Pompeya — einem typischen Tango-Viertel von Buenos Aires — gab. Herausgekommen ist bei diesem langjährigen Projekt letztendlich eine Liebeserklärung an den traditionellen Tango und an Argentinien, eine Verbeugung vor Menschen, die jenseits des Mainstreams leben und ihrer Leidenschaft nachgehen, ohne zu fragen, wohin das führt und wie es sich finanziell auswirkt. Sie lassen uns als Zuschauer einen letzten Tango tanzen, der unvergesslich bleibt!

Der letzte Applaus - Ein Leben für den Tango

Menschen, die eine besondere Passion besitzen, per Kinoblick zu folgen, hat etwas für sich. Ganz besonders, wenn es sich um die Regiearbeit des Argentiniers German Kral handelt, der damit den alternden Tangomusikern der „Bar El Chino“ in Buenos Aires ein liebevolles Porträt gewidmet hat.
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