Der letzte Angestellte

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Zum Verrücktwerden: die moderne Arbeitswelt

Nur nicht die Finger schmutzig machen: Wenn man heute Leute entlassen will oder muss, kann man das ganz einfach delegieren. Und sich einen Überbringer der schlechten Nachricht einkaufen. Den „Mann fürs Grobe“ sozusagen. In Jason Reitmans Up in the Air hatte das eine lustige Seite. Alexander Adolphe beleuchtet einen anderen Aspekt. Für ihn sind die Verhältnisse der reinste Horror.
Die Sache mit dem Horror ist ganz wörtlich zu nehmen in diesem gelungenen Mix aus Sozialstudie und Genrefilm. Wie man mit den bewährten Gruselschauern des Kinos höchst spannend von realen Verhältnissen erzählt, ohne ein Lehrstück zu kreieren — das stellt der Münchner Regisseur und Drehbuchautor in seinem zweiten langen Spielfilm eindrucksvoll unter Beweis.

Ganz anders als Vielflieger George Clooney in Up in the Air führt Christian Berkel als David kein heimatloses Leben in den seelenlosen Durchgangsstätten des globalisierten Hyperkapitalismus. Der Jurist hängt sehr an seiner Frau Irina (Jule Ronstedt) Sohn Simon. Die Familie bietet ihm Halt, nachdem er vor drei Jahren seinen Job aufgrund von Panikattacken gekündigt und seitdem keine Arbeit mehr gefunden hat. Nur um die Wohnung halten zu können, nimmt er die Arbeit als „Liquidator“ an, für einen sensiblen Menschen wie ihn alles andere als ein Traumjob. Zunächst scheint David die neue Aufgabe gut zu meistern, aber als Buchhalterin Frau Blochs (Bibiana Beglau) den Rausschmiss nicht verkraftet, zeigt David zu viel Mitgefühl. Ein verhängnisvoller Fehler.

Es ist von Anfang an eine unheimliche Welt, die uns Regisseur Alexander Adolph (So glücklich war ich noch nie) da vorführt. Einen wahrlich gespenstischen Eindruck macht allein schon das leere Großraumbüro, in dem David ganz allein seine Arbeit als „letzter Angestellter“ verrichten muss. Kaltes Grau, flackerndes Licht, merkwürdige Geräusche, keinerlei Leben – da kann einem schon mulmig werden. Hier bahnt sich etwas Schreckliches an, das lässt sich in jeder Einstellung spüren. Sehr konsequent schildert Aldoph die moderne Arbeitswelt mit den Mitteln des Horrorfilms – inhaltlich völlig angemessen angesichts der Absurdität, dass ein Arbeitsloser nur dadurch einen Job kriegt, dass er andere ins selbe Unglück stürzt, aus dem er sich gerade befreit.

Zum Vorteil dieses stilsicher gemachten Schockers verzichtet der Regisseur auf eindeutige Schuldzuweisungen. Immerhin ist David zugleich Täter und Opfer. Für seine Probleme ist nicht allein der materielle Druck verantwortlich, den einmal gewohnten Lebensstandard zu behalten. Eine ebenso große Rolle spielt die Tragik, dass selbst eine so liebevolle Familie dem wachsenden Druck nicht standhalten kann. Und schließlich kommt die psychische Vorerkrankung hinzu — die zermürbende Angst vor einem Rückfall.

Alexander Adolph vermeidet es, einfach nur eine Familien- oder Krankengeschichte zu erzählen. Denn sind es ja wirklich Zustände zum Verrücktwerden, von denen Der letzte Angestellte handelt. Selbst Davids so innerlich gefestigte Ehefrau sieht am Ende Gespenster – und das ist überhaupt kein Wunder. So ziehen die klassischen Mittel des Horrorfilms die Schraube immer weiter zu und schaffen ein Zwischenreich zwischen Phantasie und Wirklichkeit, in dem es irgendwann egal wird, was nun wirklich passiert ist und was nicht. Der Horror der modernen Arbeitswelt kreiert seine eigene Logik und erzeugt einen – durchaus blutigen — Strudel, aus dem es kein Entkommen zu geben zu scheint. Höchstens vielleicht den, mit den Entlassenen gemeinsame Sache zu machen und das System zu unterwandern. Aber das hat der letzte Angestellte vielleicht auch nur geträumt.

Der letzte Angestellte

Nur nicht die Finger schmutzig machen: Wenn man heute Leute entlassen will oder muss, kann man das ganz einfach delegieren. Und sich einen Überbringer der schlechten Nachricht einkaufen. Den „Mann fürs Grobe“ sozusagen.
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