Der Dämon in mir (2004)

Eine Filmkritik von Michael Spiegel

Montag, 26. Mai 2014, EinsFestival, 20:15 Uhr

Philadelphia, USA: Nach einer 12jährigen Gefängnisstrafe wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Mädchen kehrt Walter (Kevin Bacon) in die vermeintliche Freiheit zurück, die sich aber von Anfang an keineswegs als solche für ihn anfühlt. Unverhohlen schlägt ihm Ablehnung und Hass bei seiner neuen Arbeit in einem Sägewerk entgegen. Auch seine eigene Schwester hält Abstand und ein Polizeisergeant schaut regelmäßig bei ihm zu Hause vorbei – besonders in der Absicht, ihn zu demütigen. Lediglich seine toughe Arbeitskollegin Vickie (Kyra Sedgwick), selbst eine Einzelkämpferin und Benachteiligte des Lebens, versucht ihm nahe zu kommen und entwickelt immer mehr Verständnis für seine Situation, als sie von seiner Vergangenheit erfährt. Trotz einer fragilen neuen Liebe, die zwischen ihm und Vickie nun entsteht, muss Walter aber eines ganz besonders und alleine mit sich klären: den immer wieder auflodernden und zwanghaften Trieb, sich erneut an einem jungen Mädchen vergehen zu wollen …

Regisseurin Nicole Kassell konfrontiert uns in ihrem Debütfilm nach dem gleichnamigen Theaterstück von Steven Fechter mit einem ausgesprochen heiklen und verstörenden Thema, das auch heute noch ein großes Tabu in unserer Gesellschaft darstellt. Denn was könnte man in der Wahrnehmung der allermeisten Menschen Schlimmeres tun, als sich an einem Kind zu vergehen, fragt sich dieser Film immer wieder selbst und gibt vielschichtige, uneindeutige Antworten mit einem ausgezeichneten, da enorm ausdrucksstarken Kevin Bacon in der Hauptrolle des Walter. Seine unheimlichen, immerzu kämpfenden Gesichtszüge, sein innerer Zorn auf sich selbst und seine Angst in den Augen, seine intensiven Selbstbetrachtungen und Eingeständnisse beim Psychiater: Der Betrachter kommt Walter trotz und gerade wegen seines inneren Tumults, der ihn enorm einsam und hoffnungslos hat werden lassen, recht nahe — ein nonverbales Kennenlernen seiner keineswegs unsympathischen Person und Persönlichkeit sind das erstaunliche Ergebnis. Die Anteilnahme des Zuschauers an einer psychischen Gefangenschaft, die schnörkellos und realistisch erzählt wird, aber auch von Menschlichkeit berichtet, die man, wenn man an einen Pädophilen denkt, so vielleicht nicht erwartet hat. Kein Monster, sondern ein Mensch.

Eine Schätzung besagt, dass einer von vier Amerikanern in der Kindheit mit sexueller Belästigung zu tun hatte. The Woodsman — Der Dämon in mir ist der gelungene Versuch eines beobachtungsgenauen Portraits, sich diesem Problem aus dem Blickwinkel des Täters zu nähern, der immer auch selbst Opfer seiner selbst ist. Ein souveräner, überzeugender, keinesfalls einseitiger Film, dem es zu wünschen wäre, dass er trotz des eher abschreckenden Themas viele Zuschauer erreicht.
 

Der Dämon in mir (2004)

Philadelphia, USA: Nach einer 12jährigen Gefängnisstrafe wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Mädchen kehrt Walter (Kevin Bacon) in die vermeintliche Freiheit zurück, die sich aber von Anfang an keineswegs als solche für ihn anfühlt. Unverhohlen schlägt ihm Ablehnung und Hass bei seiner neuen Arbeit in einem Sägewerk entgegen. Auch seine eigene Schwester hält Abstand und ein Polizeisergeant schaut regelmäßig bei ihm zu Hause vorbei – besonders in der Absicht, ihn zu demütigen.

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