Denen man nicht vergibt

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dienstag, 17. Februar 2009, Tele 5, 20:15 Uhr

Der US-amerikanische Filmschaffende John Huston (1906-1987) war zunächst einmal ein Meister der Vielfalt, und dieses Attribut betrifft seine enorm zahlreichen Arbeiten ebenso wie sein abenteuerliches Privatleben. Als Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur vagabundierte er mit äußerst unterschiedlichen Filmen wie Momo (Johannes Schaaf, 1986), The Maltese Falcon / Der Malteser Falke (John Huston, 1941) und Freud (John Huston, 1962) in den verschiedensten Kategorien, zu denen auch das Genre des Westerns zählt. Denen man nicht vergibt / The Unforgiven aus dem Jahre 1960 mit Audrey Hepburn und Burt Lancaster in den Hauptrollen ist sicherlich eines seiner berühmtesten Werke auf diesem Terrain, das sich nach dem gleichnamigen Roman von Alan Le May mit den rassistischen Ressentiments einer Siedlergemeinschaft auseinander setzt.
Die Witwe Mattilda Zachary (Lillian Gish) lebt mit ihren drei Söhnen Ben (Burt Lancaster), Cash (Audie Murphy) und Andy (Doug McClure) sowie ihrer ausgesprochen aparten Tochter Rachel (Audrey Hepburn) auf einer Ranch in Texas nahe des Kiowa-Gebietes. Das Überleben in dieser nicht ungefährlichen und rauhen Gegend ist nicht leicht, doch die Zacharys halten zusammen und genießen unter den Farmern ein gutes Ansehen. Als strahlende junge Frau im heiratsfähigen Alter hat Rachel einige Verehrer, und der Viehzüchter Zeb Rawlins (Charles Bickford) aus der Nachbarschaft hegt auch ganz konkrete Heiratsabsichten, doch Ben, der sich als ältester Sohn für die Familie verantwortlich und sich zudem Rachel ganz besonders verbunden fühlt, ist im Grunde kein Freier gut genug.

Eines Tages taucht der alte Abe Kelsey (Joseph Wiseman) wieder in der Gegend auf und behauptet, Rachel sei keine geborene Zachery, sondern eine Kiowa, die als Baby von der Familie aufgenommen wurde. Was zunächst wie eine Ungeheuerlichkeit klingt, erweist sich als tatsächlich zutreffend, und diese lange verborgene Information zieht eine ganze Reihe drastischer Veränderungen nach sich, die nicht nur Rachel und ihre Familie betreffen, sondern die gesamte Nachbarschaft, die sich nun mit einem Mal äußerst reserviert den Zacharys gegenüber verhält. Auch die Kiowa erfahren von der Geschichte und verlangen, dass Rachel zu ihrem Volk zurückkehrt …

Denen man nicht vergibt

Der US-amerikanische Filmschaffende John Huston (1906-1987) war zunächst einmal ein Meister der Vielfalt, und dieses Attribut betrifft seine enorm zahlreichen Arbeiten ebenso wie sein abenteuerliches Privatleben.
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Meinungen

Martin Zopick · 03.09.2022

Dieser Klassiker ist eine Perle unter den vielen Filmdiamanten von John Huston. Der Film hat seinerzeit viel Staub aufgewirbelt und zwar sowohl von der Thematik her als auch in Bezug auf die Akteure selbst.
Die Botschaft ist ein Kompromiss, so wie er sich zwischen Regisseur und Hauptdarsteller Burt Lancaster als Ben Zachary ergeben hat. Die Indianer sind zwar nach wie vor die Bösen. Sie werden von den weißen Rassisten als ‘Gesindel‘ bezeichnet, doch Ben nennt Rachel (Audrey Hepburn) ‘meine kleine rothäutige Indianerin‘ als er sie liebevoll in die Arme nimmt und macht ihr klar, dass sie zwar ‘die Hautfarbe der Kiowas hat, aber sonst sind sie Fremde für sie‘, denn sie ist bei den Zacharys aufgewachsen. Die Leinwandikone aus der Stummfilmzeit Lillian Gish (Jahrgang 1893) bringt als Mutter Matilda Kultur in den Westen: wenn die Indianer Kriegstrommeln schlagen, kontert sie mit Mozart am Klavier.
Matilda tut alles um die wahre Herkunft von Rachel zu verbergen. Als Abe Kelsey, eine irgendwie mystische Figur (Joseph-Dr.No-Wiseman) das ausplaudern will, übt sie eigenhändig Lynchjustiz. Abe ist so eine Mischung aus Narr und Wüstengeist. Mit ihrem Tod wird Matilda symbolisch bezahlen. Rachel trennt sich endgültig von ihrer Abstammung, indem sie den Kiowahäuptling Lost Bird (Carlos Rivas) erschießt.
Dabei war es schon ein Wagnis eine Weiße überhaupt als Indianerin zu casten. Prompt hat sich Hepburn beim Dreh auch was gebrochen.
Davon abgesehen ist dieser Western, ein Vorbild für den Spannungsaufbau. Anfangs weiden noch die Kühe auf dem Dach des Blockhauses, am Ende treiben die Kiowas eine Rinderherde dorthin. So müssen die Zacharys ihr Haus anzünden. Ben und seine Brüder Cash (Audie Murphy) und Andy (Doug McClure), den wir eher der Shiloh Ranch zuordnen würden, überleben in einem überaus spannenden Finale. Als die Bedrängnis am ärgsten ist, macht Ben Rachel einen Heiratsantrag. Am Ende schauen die vier Sieger dem Vogelzug nach…Ist das der zukünftige Weg der Zacharys?