Deliver Us from Evil

Hochspannung mit Tiefgang

Der Däne Ole Bornedal ist hierzulande vor allem Insidern bekannt. Zu Unrecht. Denn seine Kombination von amerikanischem Genre-Kino mit europäischen Traditionen überzeugt durch Hochspannung mit Tiefgang. Bornedals neuer Thriller Deliver us from Evil knüpft an Erfolge wie Die Nachtwache und Bedingungslos an.
Johannes (Lasse Rimmer) ist ein erfolgreicher Anwalt, der es in der Großstadt zu etwas gebracht hat. Jetzt kehrt er in sein Heimatdorf zurück, um gemeinsam mit Frau Pernille (Lene Nystrøm Rasted) und den beiden Kindern ein weniger hektisches Leben zu genießen. Die Landschaft an der Westküste Jütlands, die überschaubare Dorfgemeinschaft und das Haus im Grünen versprechen Idylle pur.

Dass der Schein trügt, wissen wir spätestens, wenn Lars (Jens Andersen), der Bruder von Johannes, zum ersten Mal im Bild ist. Lars steht fast immer kurz vor dem Ausflippen: ein hyperaktiver, vor Aggressionen bebender Lastwagenfahrer. Er hat die kleinbürgerliche Enge im Gegensatz zu Johannes nie verlassen. Geradezu körperlich scheint Lars am Neid auf seinen Bruder zu leiden — und auf jeden, der mit seinem Leben etwas anfangen kann. Weil der ungepflegte Taugenichts selbst in seinem Truck sturzbesoffen ist, kriegt er gar nicht mit, dass er gerade jemanden tötet. Nur an dem dumpfen Schlag merkt er, dass er die Frau seines Arbeitgebers überrollt hat.

Eigentlich wäre Lars’ Leben nun endgültig ruiniert. Aber er findet einen Weg, die Schuld von sich abzulenken. Mit einem billigen Trick wiegelt er die latent fremdenfeindlichen Stammtischbrüder zur Lynchjustiz gegen Alain auf, einen vom Bosnienkrieg traumatisierten Flüchtling. Alain wird einzig und allein von Johannes beschützt, der ihm in seinem Haus Unterschlupf bietet. Es kommt zu einer blutigen Schlacht um das Anwesen.

Ole Bornedal dreht die Spannungsschraube in diesem Mix aus Sozialstudie und Horrorthriller langsam, aber unerbittlich zu. Er beginnt mit einer zuweilen surreal anmutenden Schilderung des Dorfkosmos. Die dumpfe Wut der Zu-kurz-Gekommenen, das Elend der Nie-Weggewesenen, die Beschädigungen der Aufeinander-Angewiesenen – darauf wirft der Regisseur unheimliche Schlaglichter, die finstere Zeichen an die Wand der dörflichen Gemütlichkeit malen. Von Anfang an lassen die zu Karikaturen verzerrten Charaktere spüren, dass ihre Welt aus den Fugen geraten ist – schon vor dem tödlichen Unfall. Mit seinem Wechsel von surreal anmutenden Bildern und realistischen Szenarien schafft Bornedal einen erstaunlichen Spagat: Dieses Dorf ist durchgeknallt genug, um die Explosion der Gewalt glaubhaft zu machen, aber die Karikaturen sind nah genug an der Wirklichkeit, um zu verdeutlichen, dass sich dieser dumpfe Hass nicht nur in Westjütland findet. Sondern überall da, wo verpasste Lebenschancen in die Suche nach einem Sündenbock münden.

In seinen Motiven und im Handlungsaufbau erinnert Deliver us from Evil stark an Straw Dogs / Wer Gewalt sät von Sam Peckinpah aus dem Jahr 1971. Dennoch hat Bornedal kein Remake gedreht, sondern erzählt seine eigene Geschichte: mit anderen Schwerpunkten, anderen Charakteren und vor allem einem schwarzen Humor, der die ganze Geschichte zusammen mit der lehrstückhaften Rahmenerzählung in ein distanziertes Licht rückt. Trotzdem oder gerade deswegen geht dieser Film unter die Haut. In einem Interview bekannte der Regisseur, dass es sein Anliegen sei, das Publikum zu packen und zu beunruhigen. Das ist ihm mit diesem geradlinig auf die Katastrophe zusteuernden Thriller zweifellos gelungen.

(Peter Gutting)

Anmerkung der Redaktion: Bislang war der Film in Deutschland ausschließlich auf dem Fantasy Filmfest 2009 zu sehen. Ob er auch einen regulären Filmstart in den deutschen Kinos haben wird, steht bislang nicht fest.

Deliver Us from Evil

Der Däne Ole Bornedal ist hierzulande vor allem Insidern bekannt. Zu Unrecht. Denn seine Kombination von amerikanischem Genre-Kino mit europäischen Traditionen überzeugt durch Hochspannung mit Tiefgang. Bornedals neuer Thriller „Deliver us from Evil“ knüpft an Erfolge wie „Die Nachtwache“ und „Bedingungslos“ an.
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Meinungen

fumbalumpf · 29.04.2017

Dieser Film packt einen und lässt so schnell nicht wieder los