Das Haus der Krokodile (2012)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wohliger Kindergrusel mit Retro-Charme

Die älteren Semester unter den Kinozuschauern werden sich noch an die Fernsehserie erinnern, die damals in jenen seligen Zeiten, als der heimische Fernseher lediglich drei Programme kannte, im ZDF die lieben Kleinen von damals begeisterte. 1976 war es, als das ZDF die Fernsehserie Das Haus der Krokodile über den Äther schickte, damals noch mit Thomas „Tommie“ Ohrner in der Hauptrolle, der wenig später als Timm Thaler zu einem echten Kinderstar werden sollte. Wer die Serie von damals noch im Gedächtnis hat, in dessen Erinnerung dürfte sie mit einer milden Patina überzogen sein, die an Nachmittage vor dem damals noch recht klobigen Fernsehgerät denken lässt und an das leichte Gruseln, das von der Fernsehserie ausging. Die Neuverfilmung des Stoffes nach einem Kinderkrimi von Hellmut Ballot aus dem Jahre 1971 greift just diesen nostalgischen Zauber auf und führt ihn geschickt weiter – und das liegt nicht nur daran, dass der Hauptdarsteller von einst nun einen kleinen Gastauftritt als Vater des jungen Helden Victor (Kristo Ferkic) hat.

Dieser Junge ist gerade erst mit seinen Eltern und seinen beiden Schwestern in eine alte Villa gezogen, in eine Wohnung, die einst ein Großonkel bewohnte. Der ist nun aber alt geworden und nicht mehr in der Lage, allein zu leben, weshalb er in ein Altenheim übergesiedelt ist. Dieser Großonkel hat allem Anschein nach ein aufregendes Leben geführt und viele Jahre in Afrika verbracht – davon künden ausgestopfte Jagdtrophäen, bizarr anmutende Statuen und Wandteppiche, die die Phantasie Victors anregen. Als die beiden Eltern zu einer Messe reisen, nutzt der Junge die Gelegenheit, die Villa und die anderen Mitbewohner zu erforschen. Dabei stößt er zufällig auf die Spur eines Mädchens, das vor 40 Jahren hier in der Villa lebte und das unter geheimnisvollen Umständen im Treppenhaus stürzte. Als Victor ein Skizzenbuch mit Zeichnungen Cäcilies voller verschlüsselter Hinweise entdeckt und er kurz danach einen dunklen Schatten durch die Wohnung huschen sieht, ist er überzeugt, einem düsteren Geheimnis auf der Spur zu sein.

Dass sich Philipp Stennert und Cyrill Boss mit Rückgriffen auf die Filmsprache vergangener Zeit auskennen und diese beherrschen, das haben sie – mal mehr, mal weniger gelungen – mit Neues vom Wixxer und Jerry Cotton bereits unter Beweis gestellt. Dass dieser angestaubte Retro-Charme aber auch in einem Kinder- und Jugendfilm durchaus seine Berechtigung hat und sehenswerte Ergebnisse zeitigt, damit war nicht unbedingt zu rechnen. Schließlich, so hat es den Anschein, gilt es doch gerade hier, den Zeitgeist der Jugend von heute zu treffen und möglichst wild, bunt und flott geschnitten die angeblich verkürzte Wahrnehmungsspanne der Kids von heute zu bedienen. Das Haus der Krokodile aber ist da ganz anders – und das macht einen Großteil des enormen Zaubers aus, der von diesem Film ausgeht. Und ja, es gibt noch eine weitere gute Nachricht: Auch die Spannung kommt bei diesem Film, der auf nahezu alle Spezialeffekte und anderes neumodisches Brimborium verzichtet, nicht zu kurz. Nur baut sich diese Spannung eben ganz langsam auf und arbeitet vor allem über subtile Hinweise, dezent eingestreute unheimliche Momente und überhaupt viel Sinn für Atmosphären und Stimmungen, die durchaus an den „Master of Suspense“ Alfred Hitchcock erinnern. Und das ist in einem Kinderfilm aus dem Jahre 2012 wahrlich eine ebenso unerwartete wie erfreuliche Reminiszenz.

Ganz nebenbei – und das passt durchaus zum Alter von Victor und damit auch zur anvisierten Zuschauerschaft, die ebenfalls um die 12 Jahre alt sein dürfte – spiegelt der Film jene Phase des Heranwachsens wieder, in denen sich die Jungen und Mädchen mit dem Tod auseinandersetzen und erstmals der Endlichkeit des Lebens gewahr werden. Dies bietet neben aller spannenden Unterhaltung auch Ansätze, die ein Nachwirken des Films fördern und zum Nachdenken anregen.

Man kann Das Haus der Krokodile gerne und mit einiger Berechtigung altmodisch nennen – in diesem Fall ist das aber durchaus als Kompliment zu verstehen. Ohne Zweifel unterscheidet sich die gelungene Neuverfilmung der Fernsehserie erheblich von fast allem, was derzeit in den Kinos unter dem Label der Unterhaltung für Kinder und Jugendliche feilgeboten wird. Allein das ist schon etwas, was man nicht genug loben kann.
 

Das Haus der Krokodile (2012)

Die älteren Semester unter den Kinozuschauern werden sich noch an die Fernsehserie erinnern, die damals in jenen seligen Zeiten, als der heimische Fernseher lediglich drei Programme kannte, im ZDF die lieben Kleinen von damals begeisterte. 1976 war es, als das ZDF die Fernsehserie „Das Haus der Krokodile“ über den Äther schickte; damals noch mit Thomas „Tommie“ Ohrner in der Hauptrolle, der wenig später als „Timm Thaler“ zu einem echten Kinderstar werden sollte.

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Meinungen

Icke · 23.04.2012

Der Film war echt nicht gut !!!

Frank · 20.04.2012

Habe den Film heute gesehen und fand ihn super. So sollte Kino sein!

Kehno · 16.03.2012

Ebenso wie Opitz Junior kenne ich das Buch und sehe bereits im Trailer einige Abweichungen. Dennoch werde ich ihn mir erstmal anschauen. Ich habe sogar noch das Buch der ersten Auflage mit den Bildern von Norbert Theißen.
Ich bin mal gespannt wie das umgesetzt wurde obgleich einiger sicherlichen interpretatorischen Freiheiten ^^

Uli G. · 16.03.2012

Ich weiß, dass ich die alte Serie damals recht gruselig fand - war ja auch erst 7. :-)
Mal schauen, wie die neue Version geworden ist.

Friedrich Debisch · 06.03.2012

@Opitz Junior: Vielleicht sollten "die Deutschen" nicht sofort immer alles scheiße finden und die Filme erstmal ansehen, bevor man sie hasst. Das sind Trailer!!! Was weißt du denn, was da im Film am Ende noch alles drinsteckt. Und ich persönlich finde den für einen Kinderfilm schon sehr gruselig und nicht so laut und infantil wie die meisten anderen Kinderfilm-Trailer. Und entdecke vor allem lauter Dinge aus dem Roman.

Opitz Junior. · 16.02.2012

Das Buch 'Das Haus der Krokodile' fesselt seine Leser seit Jahrzehnten durch seine beklemmende Ruhe - und das allgegenwärtige Gefühl, das Böse im Menschen lauere überall. Davon ist nichts in den Trailern zu bemerken, im Gegenteil, die sind nur laut. Dafür sieht man dutzende Szenen, die im Buch nicht vorkommen. War das Buch etwa nicht gruselig genug?

Kann man Bücher nicht mal so verfilmen, wie sie gemeint waren? Wieso muss immer alles aufgepumpt werden, bis es fast platzt? Es scheint, dass Deutsche einfach keine Kinderfilme drehen können. Und es lassen sollten - wie soll das hier ein Erfolg werden?

Ich finde solche extremen Bearbeitungen echt scheisse. Dann lieber nochmal das Buch.
Und nochmal.