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Für Cold Skin hat sich der Franzose Xavier Gens den Roman Im Rausch der Stille des Katalanen Albert Sánchez Piñol vorgenommen. Ein historisches creature feature vor atemberaubender Landschaft. Wenn zwei ungleiche Männer darin das Fremde bekämpfen, kann das nur übel enden.

Cold Skin - Insel der Kreaturen (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Der Phallus am Ende der Welt

Friedrich Nietzsche weist den Weg. Den Bildern geht sein viel zitierter Aphorismus aus der Schrift Jenseits von Gut und Böse voraus: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ Wenn Xavier Gens darauf die Geschichte zweier Männer folgen lässt, die fernab jeder Zivilisation mit äußeren Monstern und inneren Dämonen ringen, sind die Abgründe nicht fern, wird der Schöne schließlich zum Biest.

Der gutaussehende, namenlose Erzähler (David Oakes) kommt als Wetterbeobachter ans Ende der Welt. Das Jahr ist 1914, der Erste Weltkrieg ist nah, die Vulkaninsel am Südpol karg und leer. Wovor er flieht, bleibt unbeantwortet. Nach einem Jahr soll die Ablösung folgen. Die einzige andere Menschenseele, der Leuchtturmwärter Gruner (Ray Stevenson), der gern nackt im Wind steht, in der dritten Person über sich spricht und alles auf dem unwirtlichen Eiland für sich beansprucht, kann der Gesellschaft längst nichts mehr abgewinnen. Tief im Nirgendwo ist er sein eigener Herr und Meister. Doch Gruner, den Ray Stevenson mit wildem Blick und zotteligen Haaren gibt, ist auch noch einer anderen Herr. Die beiden Männer sind zwar die einzigen Menschen, nicht aber die einzigen Lebewesen auf dem schroffen Felsen im Atlantik. Sobald die Sonne untergeht, steigen Wasserwesen aus den Fluten, um eine ihrer Artgenossinnen (Aura Garrido) zu befreien, die sich Gruner wie eine Hündin hält und nach Lust und Laune besteigt. Der Namenlose nennt sie Aneris, was auf ihr Aussehen wie ihre nächtlichen Gesänge verweist. Rückwärts gelesen bedeutet der Name im Spanischen „Meerjungfrau“ oder „Sirene“.

Xavier Gens ist dafür bekannt, aus geringen Budgets Ansehnliches herauszuholen. Gemessen an Hollywoods Blockbusterkino waren die geschätzten 8,5 Millionen US-Dollar Produktionskosten für Cold Skin verschwindend gering. Dementsprechend schrammen die Effekte aus dem Computer stets haarscharf an der Kante zur unfreiwilligen Komik entlang und sind wie die Rückprojektionen stets als künstliche Konstrukte zu erkennen. Dafür entschädigen die atemberaubende Landschaft, in der es überall dampft und brodelt, aufschäumt und rauscht, und das creature design Arturo Balseiros, der schon an den Monstern aus Guillermo del Toros Pans Labyrinth mitwirkte. Gens‘ Problem ist jedoch kein visuelles, sondern ein erzählerisches: Seine Handlung ist für die Laufzeit von mehr als 100 Minuten schlicht viel zu dünn.

Aus Albert Sánchez Piñols Romanvorlage hat Gens ganz im Sinne Nietzsches „Ewiger Wiederkunft“ einen Kreislauf des Leidens gemacht. Jedes Mal, wenn Aneris ihre Stimme erhebt, stürmt das Fremde heran und versucht den Leuchtturm zu erklimmen, der wie ein Phallus in den Himmel ragt. Mit Schaum vor dem Mund und Wahn in den Augen verteidigen die beiden Schicksalsgenossen mit ihren Leben auch immer ihre Männlichkeit. In der von einer Signalrakete erhellten Nacht mutet das wie eine monströse Silvesterparty an. Anfangs faszinierend verliert dieser groteske Kampf schnell an Reiz. Zwar deutet die Handlung einen Wandel an, weil mit dem Erzähler auch die Menschlichkeit auf die Insel zurückkehrt. Des obligatorischen düsteren Endes willen verfolgt Jesús Olmos und Eron Sheeans Drehbuch diese Fährte jedoch nie zielstrebig genug. Als der Kampf mit dem Monster ein neues Monster gebiert, ist dem Publikum längst klar, wer die eigentlichen Kaltblüter dieser Geschichte sind.

Cold Skin - Insel der Kreaturen (2017)

Eine Insel am Rande der Antarktis: Hier landet zu Beginn des 20 Jahrhunderts ein junger Mann, der dort den Poster eine metereologischen Beobachters einnehmen soll. Doch von seinem Vorgänger findet sich auf der verlassenen Insel keinerlei Spur, der Mann scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Und das ist erst der Beginn eines schauerlichen Aufenthaltes auf der Insel …

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