Coffee and Cigarettes

Das existenzialistische Frühstück

Wenn man in Cafés in Universitätsstädten die Frühstücksauswahl betrachtet, findet sich dort mitunter ein Gedeck, das als Existenzialisten-Frühstück bezeichnet wird. Es beinhaltet Kaffee (natürlich schwarz) und Zigaretten (natürlich stark), garniert von einer Aspirin. Gerüchten zufolge sind es hauptsächlich angehende Filmkritiker, die das oben besagte Frühstück immer wieder gerne nehmen. Und wer weiß, vielleicht erinnern sie sich dabei an Jim Jarmuschs Kurzfilme namens Coffee and Cigarettes, die Anfang der Neunziger in ausgesuchten Filmtheatern zu sehen waren.
Welch glücklicher „Zufall“, dass Jarmusch sich nun daran gemacht hat, die alten Episoden mit neuen Variationen des Themas um die beiden stummen Hauptdarsteller zu kombinieren und zu einem Langfilm zu montieren, der demnächst in die Kinos kommen wird. Die Vorgeschichte zu diesem Film reicht weit zurück, bis ins Jahr 1986, als Jarmusch von Saturday Night Life gebeten wurde, einen Film für die Show zu drehen. Das Resultat war Coffee and Cigarettes – Strange to meet you mit Steven Wright und Roberto Benigni. Die zweite Variation des Themas – im Film mit dem Titel Twins versehen, entstand 1989 in Memphis während des Drehs zu Mystery Train und war auf verschiedenen Festivals unter dem Titel Coffee and Cigarettes – Memphis Version zu sehen. 1992 folgte die Episode Somewhere in California mit Tom Waits und Iggy Pop, die ein Jahr später in Cannes die Goldene Palme als bester Kurzfilm gewann. Zurück in New York entstanden zwei weitere Fragmente, Renée und No Problem, die innerhalb eines einzigen Tages gedreht wurden. Die verbleibenden sechs Versionen Those Things’ll Kill Ya, Cousins, Jack Shows Meg His Tesla Coil, Cousins?, Delirium und Champagne drehte Jarmusch schließlich im Sommer 2003 innerhalb von gerade mal zwei Wochen.

Das Erstaunliche ist, dass trotz der großen Zeitspanne, der verschiedenen Kameramänner und der Beiläufigkeit, mit denen die Filme gedreht wurden, doch ein Werk von solcher Einheitlichkeit in der Tonalität entstanden ist, was nicht allein an den beiden Hauptakteuren Kaffee und Zigaretten liegt, sondern auch an der Ähnlichkeit der Grundkonstellation – ein lockeres Gespräch unter Freunden oder Fremden, in denen sich von Zwischenmenschlichem bis zu Trivialem die ganze Breite des Alltagslebens entspinnt. Bisweilen erinnern die brillanten Dialoge, die sich zwischen Nikotin und Koffein entspinnen, an die gemurmelten und leidenschaftlich diskutierten Weltläufigkeiten und Trivialitäten eines Quentin Tarantino, bei dem voller Ernsthaftigkeit über Fußmassagen (Pulp Fiction) und den Subtext von Madonnas „Like a virgin“ (Reservoir Dogs) geplaudert wird. Selbstverständlich finden sich auch bei Jarmusch Poptheorien, wenn etwa in der Episode Twins ein geschwätziger Kellner (Steve Buscemi) ein Zwillingspaar (Cinqué und Joie Lee) davon zu überzeugen versucht, dass Elvis einen unbekannten Zwillingsbruder hatte, auf den alles Schlechte zurückzuführen sei. Ebenso absurd sind die Theorien, die sich in den anderen Stories entfalten, so behaupten etwa die beiden Rapper RZA und GZA in Delirium gegenüber ihrem Kellner Bill Murray, alternative Medizin zu studieren und warnen eindringlich vor dem Genuss von Koffein – woraufhin dieser eilig direkt aus der Kaffeekanne trinkt.

Eine hervorragende Besetzung, die neben „Stars“ wie Roberto Benigni, Bill Murray und Cate Blanchett Musiker wie Iggy Pop, Tom Waits sowie Jack und Meg White von den White Stripes und nahezu unbekannte Gesichter umfasst, geben den einzelnen Miniaturen Drive und Komik, und stets hat man das Gefühl, dass man hier dem Alltagsleben in einer coolen und beglückenden Form näher ist als in anderen Filmen. Und so verlässt der beglückte Zuschauer den Film und wendet den Schritt in die nächste Kneipe – denn vielleicht gibt es ja dort ein auch noch spät am Abend erhältliches Existenzialisten-Frühstück.

Coffee and Cigarettes

Wenn man in Cafés in Universitätsstädten die Frühstücksauswahl betrachtet, findet sich dort mitunter ein Gedeck, das als Existenzialisten-Frühstück bezeichnet wird.
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