Borat (2006)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Jagshemash oder wie die glorreiche Nation von Kasachstan die USA im Sturm eroberte

Erinnert sich noch jemand an die wunderbare Doku-Fiktion Deckname Dennis von Thomas Frickel, in dem ein vermeintlicher amerikanischer Geheimagent durch Deutschland reiste, um ein Bild des Landes zu gewinnen? Was herauskam, versetzte selbst eiserne Patrioten in Erstaunen und Entsetzen, denn die angebliche Nation der Dichter und Denker entpuppte sich bei genauerer Betrachtung als merkwürdiges Surrogat aus blühendem Blödsinn, skurriler Exzentrik und gefährlichen politischen Spinnern, die das Wort Demokratie nicht einmal buchstabieren können. In Borat / Borat — Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan unternimmt der vermeintliche kasachische TV-Reporter Borat (Sacha Baron Cohen) gemeinsam mit einem ultraschmierigen TV-Produzenten namens Azamat Bagatov (Ken Davitian) eine Reise quer durch die USA, um seinem Volk in einer Reportage die Segnungen westlicher Demokratie und Lebensweise nahe zu bringen. Als Borat in New York beim Zappen durch die unzähligen TV-Kanäle auf eine alte Folge von Baywatch stößt, verliebt sich der tumbe Schlacks augenblicklich in Pamela Anderson und hat künftig noch eine Mission mehr, die ihn antreibt: Er will nach Kalifornien, um die üppige Badenixe auf traditionell kasachische Weise zu ehelichen. Doch bevor es soweit ist, trifft Borat noch eine ganze Reihe von Amerikaner, die alle ganz beseelt sind von dem Wunsch, dem sympathischen Mann mit dem Pferdelachen ihre Kultur und Lebensart zu vermitteln. Was sie allerdings nicht wissen: Borat ist nur eine Kunstfigur, ausgesandt, um seinen amerikanischen Landsleuten auf den Zahn zu fühlen…

Sacha Baron Cohen, in England als endkrasser Rapper-Checker Ali G. zum Star geworden, zieht in Borat / Borat — Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan alle Register seines komödiantischen Könnens, wobei man allerdings auch zugeben muss, dass es ihm die Amerikaner auch denkbar einfach machen. Ob Feministinnen, Fahrlehrer oder Rodeoreiter – Borats offensichtliche Dummheit und Rückschrittlichkeit bringt sie alle so sehr zum Staunen, dass sie es ihm locker gleichtun, ohne es zu merken. Vor allem hört kaum jemand richtig hin, was der vorgebliche Kasache für einen blühenden Blödsinn verzapft: Als Borat bei einem Rodeo eine kleine Rede hält und verkündet, George W. Bush solle nicht eher ruhen, bis er vom Blut jedes einzelnen Irakers und auch dem ihrer Frauen und Kinder getrunken habe, erntet er stürmischen Beifall. Sacha Baron Cohens Humor ist mitunter brachial und kennt weder Freunde noch Verwandte, doch das Verblüffende ist, dass es in den entsprechenden Situationen kaum jemand bemerkt. Kein Wunder also, dass dieses Land Humor-Coaches nötig hat, selbst wenn diese sich als staubtrockene Mega-Langweiler entpuppen.

Auch Kasachstan selbst erweist sich bislang im perfiden Spiel Sacha Baron Cohens eher als Spaßbremse: Im Vorfeld eines Besuchs in den USA sah sich deshalb der kasachische Präsident Nursultan Nazarbayev dazu veranlasst, mehrere Presseerklärungen verbreiten zu lassen, die aufs schärfste gegen die Darstellung seines Landes protestierten. Und selbstverständlich beeilte sich die größte kasachische Kinokette eiligst zu versichern, dass man den Film nicht auf die Leinwand bringen werde. Doch die wütenden Kasachen vergessen eines: Sacha Baron Cohen gibt in Borat / Borat — Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan kein naturgetreues Bild von Kasachstan ab, das ist auch gar nicht seine Absicht, sondern er jongliert vielmehr virtuos mit den Vorurteilen der westlichen Welt, namentlich der USA, gegenüber einem Land, über das kaum jemand etwas weiß und für das sich nicht mal jemand interessiert, wenn ihm ein Vertreter dieses Landes gegenüber sitzt. Allein das ist bereits entlarvend genug für die amerikanische Einstellung, der Welt außerhalb der USA zu begegnen. Doch damit nicht genug: Mit den Augen eines staunenden Fremden demaskiert Cohen gleichzeitig den „american way of life“ als eine Gemengelage aus grenzenloser Selbstüberschätzung, Ignoranz, Dummheit und einer gehörigen Portion Verrücktheit. In Wahrheit, und das ist ebenso erschreckend wie entlarvend und brüllend komisch, gibt es kaum einen Unterschied zwischen einer vermeintlich rückschrittlichen Nation wie Kasachstan und dem vermeintlich fortschrittlichsten Land der Erde, den USA. Wenn dieser Film nicht der Kulthit dieses Herbstes wird, weiß ich auch nicht mehr weiter. Selten so gelacht!
 

Borat (2006)

Erinnert sich noch jemand an die wunderbare Doku-Fiktion Deckname Dennis von Thomas Frickel, in dem ein vermeintlicher amerikanischer Geheimagent durch Deutschland reiste, um ein Bild des Landes zu gewinnen?

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Meinungen

Gast · 02.03.2008

Vielen Dank! Durch deine Rezension habe ich endlch den Namen des Filmes gefunden, den ich vor ca. 10 Jahren im Kino gesehen hab.Und ihn herrlich fand. Ich hab jetzt zum wiederholten Male einige Schlagwörter (Amerikaner, Deutschland, Pseudo Doku) gegoogelt und endlich bin ich auf Deckname Dennis gestossen!

· 18.12.2006

Bei allem nötigen Respekt vor den Leuten,die diesen Film klasse finden...!!!
Schwachsinn war im Kino selten so präsent wie mit diesem Film!!!
Dieses postpubetäre Verhalten eines Erwachsenen(!)Menschen auf Zelluloid festzuhalten,tut einfach nur weh...

Peter · 13.12.2006

primitiv,geistlos,Dialoge wie in derSteinzeit,Sprachgemisch schwachsinniges Kauderwelsch,Humor der dümmsten Art,fremden-frauen-allesfeindlich-eine Zumutung für Kinogänger

Mark · 05.12.2006

Der Film ist super - aber alle, die immer von der amerikanischen Wertewelt sprechen und diese bei Borat entlarvt sehen, sollten selbst mal in die Staaten...

Herr Kurz wuerde dann auch feststellen, dass "eine Gemengelage aus grenzenloser Selbstüberschätzung, Ignoranz, Dummheit ..." eher jene Deutschen/ Europaer beschreibt, die amerikanische Kultur nur aus TV und Kino kennen...

Film anschauen, sich kaputtlachen!!

Gast · 10.11.2006

Dieser Film wird Kult!!! Zeigt er uns doch wie eingeschränkt die Sichtweisen und das Selbstverständniss vieler Menschen in der "zivilisierten" Welt sind. Wer denkt, dass dieser Film sich auf Kosten von Minderheiten lustig macht hat nichts verstanden. Hätte sich vorher jemand vorstellen können, dass ein Autoverkäufer ernsthaft über das Thema -Bekommt mein Auto kratzer wenn ich Roma überfahre?- spricht nur um ein gutes Geschäft zu machen??? Ist es nicht absurd, dass ein Waffenhändler auf Fragen antwortet die bei uns niemand stellen würde???Dieser Komödie wirkt wie ein Spiegel und zeigt uns was im tiefsten inneren der Nationen mit "sozialer" Marktwirtschaft tatsächlich los ist. Profitgier und ignoranz!!! Wir halten uns für allwissend und sind wahrscheinlich noch schlimmer drann als die Bergvölker in Ksachstan. Sicherlich ist manches mehr als grenzwertig. Andererseits wird uns aufgezeit wie stark wir durch gesellschaftliche Normen und politische Vorgaben in unserer Denkweise eingeschränkt sind. Wer bei diesem Film nicht reflektiert, verliert.

· 07.11.2006

Teils lustig meist platt.

· 06.11.2006

>Was ist lustig daran ein paar Menschen auf der Strasse zu schocken, in dem man ihre Wertewelt ad absurdum führt. Was ist lustig daran, mit Juden und Zigeunerwitzen Leute dazu zu animieren, zu belustigen oder zu empören?

Eigentlich alles. Du solltest lernen aus Deiner politisch-korrekten Welt auszubrechen und mal über etwas lachen, was alles andere als pc-konform ist.

leonavis · 06.11.2006

Zum Brüllen, der Film. Eigentlich stundenlanger Müll, der hier zusammengetragen wird, aber wirklich zum Brüllen komischer Müll. Ich als totaler Fan von solchem Humor (ich liebe auch die Ottofilme oder die nackte Kanone) habe mich halb kringelig gelacht. Besonders die Szene mit den Juden und die Szene mit Pamela Anderson ... zum Schreien. Genialer Film.

naive_man · 04.11.2006

Wer meint über Witze auf Kosten Anderer Menschen zum lachen bringen
zu müssen, wer meint, es sei eine intellektuelle Höchstleistung
obszöne Szenen auf der Strasse zu filmen, eine dürftige
Rahmenhandlung mit Gags so lauwarm wie hier in schon bei sämtlichen
"Comedy Programmen" gezeigt zu nutzen um einen Dreh 85 Minuten am
Laufen zu halten, wer meint darüber auch noch ein Wort in den Medien
verlieren zu müssen, den Film als gelungen zu preisen - ihn zu
hinterfragen - der hat - mit Verlaub - wohl den Verstand verloren.
Was ist lustig daran 85 Minuten mit Kleinkinder Fäkalwitzen Zuschauer
zu malträtieren? Was ist lustig daran ein paar Menschen auf der
Strasse zu schocken, in dem man ihre Wertewelt ad absurdum führt. Was
ist lustig daran, mit Juden und Zigeunerwitzen Leute dazu zu
animieren, zu belustigen oder zu empören? Das gab's schon alles,
staatlich subventioniert in deutschen Theatern geboten - schon
vergessen? Da kann der Hauptdarsteller versuchen auszusehen wie
Groucho Marx, in Israel leben, und wieder einmal sich hinter seiner
Gesinnung verstecken, ewig verfolgt zu sein - er bleibt ein billiger
Provokateur, jemand der andere nur aufregen will.

Nein, dieser Film ist so grottenschlecht - aber weil ja alles Gute
aus Amerika kommt - muß der hiesige Kulturtratschverein darüber
klatschen. Danke für die Irreführung, werte Medienschreiber. Gut
gelungen! Da kann man nur sagen:

Borat gucken - ich bin doch nicht blöd!

BertrandRussel · 04.11.2006

Insgesamt gesehen eine derbe Kollektion von Trash-Attacken, von Komödie lässt sich kaum noch sprechen. Der Film taumelt wie sein Ex-Ali G. Hauptdarsteller zwischen Jackass-Abgründen und dem einen oder anderen kritisch-hintergründigen Sarkasmus.
Den Film am besten nach Hirn-Off reinziehen, so lässt es sich einige Zeit ganz gut damit lachen.

· 04.11.2006

Zu diesem Film sollte es eine "Gebrauchsanweisung" geben - und die Option, dass man ihn mindestens 2 x sehen muss. Was wirklich dahinter steckt, wird einem erst beim Reflektieren klar, und dann bleibt einem im Nachinein so manches Lachen im Hals stecken. Ein bemerkenswert guter Film!

derhammer, der hammer schlechthin · 03.11.2006

geilste, beste, witzigste,(...) komödie aller zeiten..

Nonplusultros · 02.11.2006

Joachim hat alles gesagt !
Der Film ist der absolute Hammer und sollte nach Möglichkeit in der Originalfassung gesehen werden.

· 17.10.2006

Selten so gelacht, brillinat und politisch inkorrekt!