Berlin am Meer

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Zwischen Disco und Oper

Berlin in den 1990ern: eine Hauptstadt des wilden Lebens. Musik und Party bis zum Abwinken. Doch ein Teil der Spaßfraktion begibt sich auf Sinnsuche. Das geht nicht ohne Hindernisse.
Tom läuft. Aber er kommt nicht voran. Er setzt einen Schritt vor den anderen, er balanciert ein Tablett mit Sektgläsern. Aber er tritt auf der Stelle. Das ist ein Traum, aber ein ziemlich realistischer. In Toms Leben geht es rund, aber es bleibt alles beim Alten.

„Berlin am Meer“, das hat sich schon Kurt Tucholsky gewünscht. Der Schriftsteller hätte gern auf der einen Seite seiner Wohnung die Friedrichstraße gehabt und auf der anderen die Ostsee. Tom (Robert Stadlober) und seine Freunde Malte, Mitsch und Margarete haben zwar kein Wasser vor der Haustür. Aber sie lassen die Seele baumeln. Ihr Sommer erscheint ewig, immer nur Ferien, immer nur Musik, eine nie endende Party. Sie sind jung und schön, die Eltern weit weg und deren Scheck so nah. Wer studiert schon ernsthaft, wenn die Nächte warm sind?

Dann kommt Mavie (Anna Brüggemann), Mitschs Schwester. Mavie ist anders. Mavie studiert in München Politik und macht ein Praktikum bei einer Fraktion im Bundestag. Mitschs Augen funkeln, seine Stimme bebt, als er dem Freund die nüchternen Fakten mitteilt: „München! Politik!“ Kapiert? Für Mitsch sagt das alles über eine geborene Streberin. Aber Tom findet die ernsthafte Blonde gar nicht so übel. Der flippige Teilzeit-DJ lebt nämlich weniger ziellos in den Tag hinein, als er vorgibt. Er hört gerne Verdi und bewirbt sich heimlich für ein klassisches Musikstudium. Zu dumm nur, dass Toms Kumpel Malte der ewige Gewinner zu sein scheint: Malte bekommt im Gegensatz zu Tom einen Studienplatz und landet bei Mavie im Bett. Als Malte dann auch noch damit herausrückt, dass er einen Plattenvertrag unterschrieben hat, ist Tom am Tiefpunkt.

Regisseur Wolfgang Eißler hat für seinen ersten langen Spielfilm auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen. Auch er lebte Mitte der 1990er Jahre in Berlin, sah die Uni fast nie von innen und bekam eine Absage, als er ins künstlerische Fach wechseln wollte, in diesem Fall an die Filmhochschule. Außerdem hat Eißler früher selbst Musik gemacht. Auf dem Soundtrack findet sich eine bunte Mischung von bekannten und weniger bekannten Szene-Bands.

Vielleicht liegt es am abgeklärten Blick zurück, dass diesem filmischen Bildungsroman von Anfang an etwas Didaktisches anhaftet. „Ich will kein zynisches Arschloch werden“, sagt Tom, als Malte beim Vorstellungsgespräch mit dem Plattenlabel den abgefuckten Rockstar gibt. Und da weiß man: Hinter all den Drogen, durchgemachten Nächten und Bettgeschichten lauert eine ernsthafte Ambition. Keine Spur etwa von dem lakonischen Zauber eines Herrn Lehmann, der dem Berliner Kneipentreiben eine melancholisch-heitere Seite abgewinnt. Schön war die Zeit – in Berlin am Meer ist das eine bloße Behauptung.

Schon die Figurenkonstellation zeigt, wohin die Reise geht. Hier das – lange verhinderte – Liebespaar mit seinen tiefsinnigen Dialogen: „Was ist dir wichtiger, deine Musik oder die Liebe?“ Dort die reine Spaßfraktion mit ihrem maßlosen Ego: Mitsch (Claudius Franz) steckt seine Schwester Mavie in eine vollgemüllte Abstellkammer, weil er sie so schnell wie möglich wieder loswerden will. Und Malte (Axel Schreiber) beendet einen One-Night-Stand mit „ich liebe dich nicht“. Nur Margarete (Jana Pallaske) hat ein größeres Herz. Aber auch sie zögert keinen Augenblick, einem attraktiven Partygast den Quickie auf dem Klo anzubieten, obwohl der in Begleitung seiner Freundin da ist. Bei solchen Szenen ist klar: So geht es nicht ewig weiter. Und natürlich kommen Tom und Mavie am Ende ein Stück voran. Nur der Film tritt auf der Stelle. Weil seine Handlung von Anfang an ziemlich voraussehbar ist.

Berlin am Meer

Berlin in den 1990ern: eine Hauptstadt des wilden Lebens. Musik und Party bis zum Abwinken. Doch ein Teil der Spaßfraktion begibt sich auf Sinnsuche. Das geht nicht ohne Hindernisse.
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Meinungen

Simon · 30.04.2008

Gute Unterhaltung, schoener Film. Auf jeden Fall empfehlenswert.

Filmspaß · 01.04.2008

Tolle Schauspieler und viele kleine Details z.B. Musik, Bilder, lustige Szenen die mir gut gefallen haben. Gebe zu, teilweise ist er ein bisschen oberflächlich aber mir hat er gut gefallen.

Gast · 08.03.2008

Leider für mich nicht überzeugend genug. Handlungsstränge für mich teilweise zu unkoordiniert und lieblos gestaltet. Man fängt gerade an für eine Figur Sympathie zu bekommen und schon wird sie etwas unüberzeugend. Nette Unterhaltung aber die Kino oder DVD-Investition sollte überlegt sein.

gleu-leucht · 30.01.2008

ich finde den Film gut gemacht, jedoch hat er für mich nicht wirklich viel Sinn, Spaß ... ausgetstrahlt also ich empfand es eher wie wenn man irgendein Film im Fernsehn anschaut aber nicht das ich wirklich im Kino sitze. Trotzdem ist es mal schön zu sehen das es auch noch Kinofilme gibt die nicht immer nur einen anderen mit der Handlung kopiert.

A. M. W. · 29.01.2008

Der Film scheint mir einfach nur in die Länge gezogen zu sein! Das Dauergrinsen von dem Herrn Stadlober hätte man genausogut weglassen können, wie die ewig lang erscheinenden subjektiven Einstellungen, wie der Zug nach Berlin fährt und die Politikfraktionspraktikantin befördert, die natürlch gar nicht spießig ist und Hasch inhaliert, feiert und sich am liebsten durch alle Betten schlafen möchte, doch trotz ihres dämlichen Grinsens das nicht ganz hinbekommt. Ich meine "München.Politik."
Fazit:"Ich meine Berlin am Meer. Dünnschiss." Aber ein Symbol kann man daraus erkennen. Vom wilden Seegang auf dem Meer, wird mir genau so schlecht wie von dem Meer.

tettotek · 15.01.2008

mir hat der film sehr gut gefallen.
es gab viele lustige szenen und man freut sich schon jetzt wieder auf den nächsten sommer in berlin

Lil · 10.01.2008

Ich bin leidenschaftlicher Anna Brüggemann Fan. Von dem Film hatte ich mir ursprünglich aber mehr erwartet, nach dem sensationellen Trailer war ich etwas enttäuscht. Die ganze Story ist etwas chaotisch aufgezogen und der Film hat mich nur durch die Rollenbesetzung überzeugt. Dennoch sehr schön ausgewählte Songs und Panoramaaufnahmen.

· 09.01.2008

ein sehr schöner und anderer film, der endlich mal gegen diese mode anschwimmt, das großstadtleben als melancholische romantik darzustellen. Toller film