Bekas

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zwei kurdische Waisen auf der Suche nach Superman

In einer Stadt im irakischen Kurdistan wird 1990 der Film Superman im Kino gezeigt. Alle Kinder sind außer Rand und Band, aber die beiden Brüder Zana (Zamand Taha) und Dana (Sarwar Fazil) haben kein Geld für Tickets. Sie leben auf der Straße, seit Saddam Hussein, wie der sechsjährige Zana grimmig sagt, ihre Eltern umbrachte. Sein zehnjähriger Bruder deutet auf den Hügel, hinter dem die Sonne untergeht, und meint, dort sei Amerika, eine große Stadt, in der Superman lebt. Die beiden Jungen beschließen, dorthin zu reisen: Superman wird ihnen helfen, Saddam und seine Soldaten zu vertreiben und vielleicht sogar ihre Eltern wieder zum Leben zu erwecken.
Der Abenteuerfilm des kurdischstämmigen Regisseurs Karzan Kader, der in Schweden lebt, pendelt zwischen erwachsenem Realismus und kindlicher Naivität. Anders als ähnliche Kinderfilme spielt er in einem Umfeld, in dem die Protagonisten keinerlei Perspektive haben und wiederholt in Lebensgefahr geraten. Aber sie gehen aus den widrigsten Situationen mit unversehrtem, frohem Gemüt hervor, fast als wären sie Märchenhelden. Die kindliche Erwartung, dass alles gut wird, dient Bekas als Richtschnur.

Kader, der auch das Drehbuch für seinen 2012 in Schweden uraufgeführten Film schrieb, floh 1988 als Sechsjähriger mit seiner Familie aus dem Irak. Der Film ist zum Teil also auch eine Erinnerung des Regisseurs an die eigene Kindheit. Vor Ort in Suleymania gedreht, vermittelt er Einblicke in eine archaische Kultur mit oft sehr rauen Umgangsformen. Für die beiden Waisenkinder fühlt sich niemand zuständig, sie werden oft geschlagen und verjagt. Aber sie begegnen immer wieder auch guten Menschen. Weil er für ihn stets ein paar freundliche Worte übrig hat, ist der alte Baba Khalid (Suliman Karim Mohamad) aus dem Radiogeschäft bis zu seinem Tod für Zana eine Art Ersatzvater.

Als Heimat von Superman und Coca Cola steht Amerika bei den Kindern hoch im Kurs. Mit dieser Schwärmerei hält Kader gleichzeitig der unfreien Gesellschaft zu Beginn des zweiten Golfkriegs einen Spiegel vor. Zana nennt den Soldaten an einem Schlagbaum stolz ihr ehrgeiziges Reiseziel. Seine noch ungetrübte Vorstellung einer Welt, in der jeder frei entscheidet, wo es sich zu leben lohnt, gibt diese militärische Absperrung im Nirgendwo der Lächerlichkeit preis.

Der Roadtrip der Brüder auf einem Esel namens Michael Jackson ist eine doppelte Herausforderung: Zum einen sind sie oft nicht einer Meinung, streiten sich und sinken sich doch immer wieder in die Arme. Zeitweise steht ein Mädchen zwischen ihnen, in das sich Dana schwer verliebt. Zum anderen reagieren die Kinder zunehmend verzweifelt und tollkühn auf die vielen Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellen. Zana hängt sich unter einen Lastwagen, um so aus einem bewachten Gebiet zu entkommen. Dass seine Kräfte während der langen Fahrt nicht erlahmen und er nicht unter die Räder gerät, verklärt die Realität, die nur noch als schreckliche Ahnung mitschwingt, zur Heldengeschichte. Dana tritt während eines ihrer Fußmärsche auf eine unscheinbare Mine – auch das, trotz des wundersamen Ausgangs, ein deutlicher Hinweis darauf, dass dieses Land nicht für arglose Kinder geschaffen ist.

Den beiden taffen Brüdern werden in der deutlichen Absicht, anrührend zu wirken, treuherzige und humorvolle Dialoge in den Mund gelegt. Mit dieser zur Schau getragenen Mischung aus Unschuld und Tugenden wie Hilfsbereitschaft und Tapferkeit sind die jungen Charaktere weniger realistisch, als idealtypisch. Die Kombination aus Gewitztheit und Unwissen, die Kader für die Brüder ersinnt, wirkt manchmal unlogisch und schrill. Insgesamt erweitert dieser Kinderfilm den Horizont auf ungewöhnliche Art, indem er zwei auseinanderstrebende Welten zusammenführt: das Bedürfnis nach Spaß und Geborgenheit, sowie eine existentielle Not, mit der sich Superhelden in der Regel gar nicht erst abgeben.

Bekas

In einer Stadt im irakischen Kurdistan wird 1990 der Film „Superman“ im Kino gezeigt. Alle Kinder sind außer Rand und Band, aber die beiden Brüder Zana (Zamand Taha) und Dana (Sarwar Fazil) haben kein Geld für Tickets. Sie leben auf der Straße, seit Saddam Hussein, wie der sechsjährige Zana grimmig sagt, ihre Eltern umbrachte.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen