Becoming Cary Grant

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

(K)Ein Einblick

In Monkey Business von Howard Hawks kommt Cary Grant in der ersten Szene des Films durch eine Tür gelaufen. „Jetzt noch nicht, Cary“, sagt eine Stimme aus dem Off und der Darsteller verschwindet noch einmal hinter der Tür, ehe der Film wirklich beginnt. Die für Showtime produzierte Dokumentation Becoming Cary Grant von Mark Kidel befindet sich trotz ihres Titels auf der anderen Seite der Tür. Hier wird niemand Cary Grant, er ist schon geworden. Der Film gibt im Titel einen Einblick vor, den er aufgrund seiner unausgegorenen Strategien nie erfüllen kann.

In der für das Genre des Star-Biopics typischen Manier wird von der Karriere des Archibald Alec Leach aus Bristol erzählt, der bald zum amerikanischen Cary Grant werden sollte und einmal sagte: „Jeder wollte wie Cary Grant sein. Ich wollte wie Cary Grant sein.“ Dramaturgisch und mit einer ungesunden Dosis amerikanischer Psychologie (jene, die alles erklärt) erarbeitet Kidel einen Mutterkomplex. Grants Mutter wurde in die Psychiatrie eingeliefert und er erfuhr davon erst, als er 31 Jahre alt war. Bis dahin dachte er, dass sie verstorben sei. Aus diesem Konflikt entstehen dann allerhand Schlussfolgerungen, die versuchen, ein konzises Bild des Lebens der Ikone zu zeichnen. Dabei steht seine LSD-Behandlung im Fokus, durch die Grant laut seiner unveröffentlichten Autobiografie einige Erkenntnisse über sich selbst gewann. Gezeichnet wird das Bild eines Verunsicherten, eines Mannes, der beinahe all das nicht ist, was George Cukor oder Howard Hawks aus ihm machten. Es ist das altbekannte Spiel von der dunklen Seite hinter der Fassade.

Dazu kombiniert Kidel sämtliche filmische Mittel, die ihm einfallen. Kitschige Sonnenuntergangsbilder aus Los Angeles, Found Footage aus der Zeit, Reenactments der LSD-Behandlung (dabei wird in jeder Einstellung eine Zigarette angezündet), Talking Heads mit Freunden und Filmwissenschaftlern, schönes Homevideo-Material – gedreht von Grant selbst –, Auszüge aus dem Tagebuch – gelesen von Jonathan Pryce – sowie eine Menge an Filmausschnitten. Dabei wagt der Film immer wieder eine Engführung zwischen der Leinwandpersona und dem Privatleben von Grant. Wenn es zum Beispiel um seine gescheiterten Ehen geht, werden entsprechende Szenen aus Filmen eingespielt. Damit widerspricht Kidel dem eigentlichen Blick hinter die Fassade und will tatsächlich in mancher Schauspielgeste Rückschlüsse auf ein privates Leben gewinnen.

Noch absurder wird es, wenn Grant dafür bemitleidet wird, dass er in seinen Anfangsjahren bei Paramount auf sein Aussehen reduziert wurde. Der Film präsentiert den Darsteller als eine Figur zwischen den Geschlechtern. Man muss diese Ideen nicht mitgehen, man kann ihnen kaum folgen. Als Argumente für die Weiblichkeit von Grant werden manche komödiantische Szene in Frauenkleidern und seine Sensibilität aufgeführt. Mehr nicht. Immer wieder widerspricht sich Becoming Cary Grant, weil er versucht, das Leben eines Menschen nachvollziehbar zu machen.

Wen stört es, werden die Produzenten sagen. Schließlich ist es Cary Grant. Tatsächlich bereiten die Filmausschnitte einige Freude und da seine Fassade so perfekt scheint, wirkt jeder Kratzer darauf wie eine tiefe Narbe. Die Musik betont diese Narben nicht ohne Pathos. Der Mann, der wie kaum ein Zweiter den sorgenfreien, urbanen Gentleman verkörperte, ist gleichzeitig ein emotional verunsicherter Junge aus der britischen Arbeiterklasse. Wer genau hinsieht, kann das auch ganz ohne Becoming Cary Grant in einem Film wie Monkey Business erkennen.
 

Becoming Cary Grant

In „Monkey Business“ von Howard Hawks kommt Cary Grant in der ersten Szene des Films durch eine Tür gelaufen. „Jetzt noch nicht, Cary“, sagt eine Stimme aus dem Off und der Darsteller verschwindet noch einmal hinter der Tür, ehe der Film wirklich beginnt. Die für Showtime produzierte Dokumentation „Becoming Cary Grant“ von Mark Kidel befindet sich trotz ihres Titels auf der anderen Seite der Tür. Hier wird niemand Cary Grant, er ist schon geworden.

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