Bamse - Der liebste und stärkste Bär der Welt (2016)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Der kleinste Superheldenbär

Die zeitliche Nähe zwischen den Kinostarts von Paddington 2 und Bamse ist sicher zufällig, macht aber aus dem Weihnachtsfest 2017 das große Fest der Bären, die Gutes in die Welt bringen. Oder sich jedenfalls dem Bösen entschlossen entgegenstellen.

Dass Bamse – Der liebste und stärkste Bär der Welt dabei eine etwas weniger gelassene Grundhaltung unterläuft, ahnt man schon im Untertitel. Während Paddingtons einzige Superkraft ein besonders intensiver Blick ist (der gleichwohl dem Gegenüber Schweißausbrüche und Unwohlsein beschert), kann Bamse mit physischer Kraft aufwarten: Der Donnerhonig, den seine Großmutter Bertha kocht, macht aus ihm für kurze Zeit den titelgebenden stärksten Bären. Das wirkt nicht nur in der Nacherzählung sehr ähnlich wie der Asterix’sche Zaubertrank, nur ohne Römer und wilde Prügeleien – wir haben es hier schließlich mit einem ausschließlich an kleine Kinder ab fünf Jahren gerichteten Film zu tun.

Aber natürlich verwendet Bamse seine Kräfte nur zum Besten, wenn er zum Beispiel einen abstürzenden Bus einfängt, indem er flugs einen Baum ausreißt und quasi als verlängerten Fangarm nutzt. Idefix wäre allerdings nicht begeistert (wegen des ausgerissenen Baums, Sie wissen schon).

Bamses Universum anthropomorphisierter Tiere ist friedlich. In einer kurzen Exposition zu Beginn des Films erklärt der immer wieder reinredende Erzähler, dass das früher anders war; aber Bamse hat allen Tieren (weil er freundlich und lieb ist) erklärt und verständlich gemacht, dass Diebstahl ja anderen schadet, und so wurde selbst eine Schiffsladung Piraten zu sinnvollen Mitgliedern der Gemeinschaft; von den etwas tumben Süßigkeitendieben Knacker und Macker zu schweigen, die jetzt eine Fahrschule betreiben – das Fahren haben sie in Fluchtautos gelernt.

Dann aber geht alles schief: Der Reinhart Fuchs ist wieder in der Stadt und wiegelt die ehemaligen Gauner vor allem gegen Bamse auf – mit einem bestechenden Argument, durch eine einzige kleine Lüge unterfüttert. Bamse und die anderen Tiere hätten ihnen ihre Verbrechen gar nicht verziehen, eigentlich seien sie immer noch misstrauisch. So zieht er die wankelmütigen Tiere auf seine Seite; gemeinsam entführen sie den größten Süßkramtransportzug aller Zeiten und Bertha gleich mit (keine Großmutter – kein Donnerhonig – kein superstarker Bamse).

Mit anderen Worten: Bamse – Der liebste und stärkste Bär der Welt will eigentlich ein Superheldenfilm für die Allerkleinsten sein und wie seine großen Geschwister leidet er am meisten an der völligen Eindimensionalität seines Protagonisten. Bamse ist gut, edel, liebt seine Familie und behält immer die Fassung. Mit anderen Worten: Er ist unglaublich fad.

Die einzige Figur, die sich ein wenig entwickelt, ist der kleine Wolf, der an Bamses Aufrichtigkeit zweifelt und sich deshalb von Reinhart verführen lässt – bevor er am Schluss wieder erkennt, was richtig und was falsch ist.

Dabei legt Reinhart, wie alle guten Bösewichter, den Finger in die schwärende Wunde: Er will sich nicht damit zufriedengeben, dass letztlich allein Bamse (zwar durch seine Liebenswürdigkeit und Friedlichkeit, aber dennoch: mit quasi diktatorischer Kompetenz) vorgibt, wie die Gemeinschaft zu leben hat. All die Freundlichkeit, das legt die kriminelle Rebellion des Fuchses dar, funktioniert nur, weil ihr die Warnung vor, die Drohung mit Gewalt zugrunde liegt. Klar, die Gewalt und Stärke liegt in der Hand des „Guten“, in Bamses Händen (und im Donnerhonig); was aber wäre, wenn Bamse nicht so herzensgut (und langweilig) wäre?

Um diese Fragen drückt sich der Film weiträumig herum; die friedliche Gesellschaft von Bamse und seinen Freunden funktioniert eben nur, wenn gänzlich Andersdenkende ausgeschlossen werden.

Womöglich ist das zu viel Gedankenschwere für einen Kinderfilm; aber dass man solche Geschichten ganz anders erzählen kann, wurde zum Beispiel mit Der kleine Rabe Socke auch im Animationskinderkino schon gezeigt.

Und letztlich steht die mangelnde Selbstreflexion des Drehbuchs auch nur stellvertretend für viele kleine Mängel; so wird die Handlung immer wieder nur durch allerlei dei ex machina vorangetrieben, und – für die angepeilte Altersgruppe womöglich der Todesstoß – der Film ist vor allem weitgehend scherzbefreit. Während beide Paddington-Filme (um im Wettbewerb der Bären zu bleiben) ja auch in hohem Maße durch ihre Slapstick-Einlagen und ihren sowohl physisch als auch visuell ausgeklügelten Humor begeistern, fehlt Bamse jede Lockerheit. Dieser Bär nimmt sich viel, viel zu ernst.

Eigentlich witzig ist nur Reinhart Fuchs. Er fragt, das Publikum im Blick, aber an seine Konspiranten gerichtet, kurz vor dem geplanten zweiten Raubzug noch einmal in die Runde: „Wart ihr alle noch mal auf dem Klo?“ Eltern kennen und verstehen das sofort. Zum Glücklichsein reicht es nicht.
 

Bamse - Der liebste und stärkste Bär der Welt (2016)

Die zeitliche Nähe zwischen den Kinostarts von „Paddington 2“ und „Bamse“ ist sicher zufällig, macht aber aus dem Weihnachtsfest 2017 das große Fest der Bären, die Gutes in die Welt bringen. Oder sich jedenfalls dem Bösen entschlossen entgegenstellen.

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