Bad 25

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Requiem für einen König

Als der afroamerikanische Regisseur Spike Lee ankündigte, eine Dokumentation über Michael Jackson zu machen, schlug ihm einiges an Skepsis entgegen. Denn es gibt wohl kaum eine kontroversere Figur in der Musikgeschichte als Jackson. Von unglaublichen Höhen und noch unglaublicheren Tiefen war dessen Leben geprägt, ein Dasein, das sich vor allem dadurch auszeichnete, dass er einer der ersten Menschen war, die quasi ihr gesamtes Leben lang in der Öffentlichkeit standen. Jeder hat eine Meinung zu Michael Jackson, doch eigentlich sollte sich keiner eine erlauben, zumindest nicht über den Privatmenschen.
Worüber man aber ohne Weiteres sprechen kann und sollte, ist seine Musik. Und genau das tut Spike Lee – er umschifft damit gekonnt die potentiellen Fallen einer polemischen Michael Jackson Dokumentation und besinnt sich lieber auf dessen Kunst. Genauer gesagt ist der Film eine fast schon altmodische Musikdokumentation, die sich intensiv um das Bad-Album des Künstlers dreht, welches dieses Jahr 25 Jahre alt wird. Das ist natürlich ein guter Aufhänger, doch es steckt viel mehr hinter diesem Ansatz. Während sich die ganze Welt auf das legendäre Album schlechthin stürzte und Thriller, den Rekordbrecher, hoch und runter analysierte, widmet sich Lee dem Nachfolger, der zwar immer noch als sehr gut, aber eben doch nur als „das Album, welches nach dem Megaknaller kam“ angesehen wird. Eine gute und sehr clevere Wahl, die Lee hier betrieben hat, denn sie ermöglicht eine Analyse, die auf mehr beruht als auf Ikonographie und Lobhudelei.

Zu diesem Zweck hat sich Lee prominente Gäste eingeladen: Künstler, bekannte wie Kanye West oder Mariah Carey und auch unbekannte, die nicht im Rampenlicht stehen, dafür aber Jahrzehnte mit Jackson gearbeitet haben. Den Familienclan spart er aus, ebenso geht der Film nur mit einigen wenigen Querreferenzen auf die Zeiten vor und nach dem Album ein. Lee und seine Truppe kümmern sich viel lieber kleinteilig wie Archäologen um eben dieses eine Album. Dabei wird die Dokumentation durch das Produkt selbst strukturiert, jeder Song wird einzeln betrachtet. Wo kam er her, wie wurde er geschrieben, was bedeuten die einzelnen Textzeilen? Wie wurden die Sounds produziert, wo und mit wem und wie wurde der Song nach Veröffentlichung vom Publikum rezipiert. Das klingt eigentlich schwer danach, dass Bad 25 nur für eingefleischte Hardcorefans spannend sein kann, vor allem wenn man sich die Laufzeit von knapp über zwei Stunden zu Herzen nimmt; doch diese Annahme ist falsch.

Mit jedem kleinen Baustein vermag Lee das Bild des Künstlers, aber auch das seiner Herkunft, seiner musikalischen Wurzeln und der amerikanischen Gesellschaft an sich herstellen. Denn man sollte nicht vergessen, dass dieser Dokumentarfilm nicht von irgendwem gemacht ist. Lee bleibt seiner sozialkritischen Linie treu, immer wieder führt er Ereignisse rund um einen Song, Textzeilen oder die Rezeption derselbigen auf die Gesellschaft und ihre Mechanismen zurück. Und auch die ihm so wichtige Historie der Afro-Amerikaner wird hier miterzählt – ein spannender Ansatz, wenn man bedenkt, dass Jackson Zeit seines Lebens vorgeworfen wurde, seine afroamerikanischen Wurzeln verleugnen.

Es geht hier also um viel mehr als nur ein Album eines Künstlers, Bad 25 beginnt zwar im Kleinen wie eine Dokumentation über Musik, öffnet dabei aber so viele Themenfelder und Einsichten, dass man manchmal nur erstaunt sein kann darüber, wie viele Ansätze und Betrachtungsweisen sich in einem einzelnen Song verbergen können. So vermag Lee auch die letzte Hürde zu umschiffen – Bad 25 ist zwar eindeutig eine Hymne auf Michael Jackson als Künstler. Doch der Film geht weit über eine voreingenommene Betrachtung und einen Beitrag zur Legendenbildung (oder in diesem Falle eher Vertiefung) hinaus und umschifft unreflektierte Lobhudelei. Vielmehr ist der Film einerseits ein respektvolles Requiem für einen unermüdlichen Arbeiter und eine der tragischsten Figuren der modernen Entertainment- und Medienindustrie und andererseits ein Lehrstück darüber, wie viel man mit einer wohl durchdachten und gut recherchierten Dokumentation erzählen kann.

Bad 25

Als der afroamerikanische Regisseur Spike Lee ankündigte, eine Dokumentation über Michael Jackson zu machen, schlug ihm einiges an Skepsis entgegen. Denn es gibt wohl kaum eine kontroversere Figur in der Musikgeschichte als Jackson. Von unglaublichen Höhen und noch unglaublicheren Tiefen war dessen Leben geprägt, ein Dasein, das sich vor allem dadurch auszeichnete, dass er einer der ersten Menschen war, die quasi ihr gesamtes Leben lang in der Öffentlichkeit standen. Jeder hat eine Meinung zu Michael Jackson, doch eigentlich sollte sich keiner eine erlauben, zumindest nicht über den Privatmenschen.
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