Aus der Mitte entspringt ein Fluss

Eine Filmkritik von Marie Anderson

So ruhig und gemächlich der Titel dieser Literaturverfilmung von Robert Redford aus dem Jahre 1992 anmutet, derart geruhsam gestaltet sich auch der Film, der seinerzeit dreifach für den Academy Award nominiert war und letztlich für die Beste Kamera von Philippe Rousselot mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Aus der Mitte entspringt ein Fluss nach der stark autobiographisch geprägten Erzählung A River Runs Through It des US-amerikanischen Autors und Literaturprofessors Norman Mclean, handelt von der Kindheit, Jugend und schließlich Erwachsenenzeit zweier Brüder, die mit ihrer Familie in der malerischen Natur Montanas aufwachsen.
In der Familie des presbyterianischen Reverend Mclean (Tom Skerritt), seiner Frau (Brenda Blethyn) und seiner beiden Söhne Norman (Craig Sheffer) und Paul (Brad Pitt) gibt es ein unumstößliches, geradezu heiliges Ritual, mit dem die Jungs von Kindesbeinen an vertraut sind: Das so genannte Fliegenfischen von Forellen am Black River, das der Reverend regelmäßig in andächtiger Ruhe und mit hohem Perfektionismusanspruch gemeinsam mit seinen Söhnen betreibt. Innerhalb dieser harmonischen Zeiten in der idyllischen Natur erscheinen die wirtschaftlichen und politischen Probleme der 1920er und 1939er Jahre, die auch das Örtchen Missoula in Montana nicht unberührt lassen, noch weit entfernt. Als der stillere Norman und der lebendigere Paul heranwachsen, schlagen sie ganz unterschiedliche Wege ein. Während Norman zum Studium fortgeht und sich später mit der hübschen Jessie (Emily Lloyd) verheiratet, verbleibt Paul in der Gegend, wo er als lokaler Journalist einen lockeren Lebensstil mit starkem Hang zu Trinkgelagen, Glücksspielen und zahlreichen Frauengeschichten etabliert …

Aus der Mitte entspringt ein Fluss gehört zu jenen im Grunde unspektakulär inszenierten, sich langsam entwickelnden Geschichten, die durch ihre authentische, zutiefst berührende Atmosphäre faszinieren, die hier durch stimmungsvolle Musik und grandiose Bilder mit ganz hervorragenden Darstellern kreiert wird. Regisseur Robert Redford erscheint – auf Deutsch synchronisiert von Rolf Schult – als atmosphärisch verdichtender Erzähler, der die Schicksale der Brüder Norman und Paul begleitet und dem Film seine intensive religiös-philosophische Dimension verleiht, die weit über den familiären Rahmen der Mcleans hinausweist. In seiner schlichten, aber dennoch bewegenden Ausführlichkeit stellt Aus der Mitte entspringt ein Fluss einen geradezu meditativen Film dar, der den Aspekten der Leichtigkeit und der Tragik des irdischen Daseins gleichermaßen eine kleine, zärtliche Liebeserklärung zuflüstert.

Aus der Mitte entspringt ein Fluss

So ruhig und gemächlich der Titel dieser Literaturverfilmung von Robert Redford aus dem Jahre 1992 anmutet, derart geruhsam gestaltet sich auch der Film, der seinerzeit dreifach für den Academy Award nominiert war und letztlich für die Beste Kamera von Philippe Rousselot mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Martin Zopick · 18.05.2023

Robert Redford hat die Romanvorlage in beeindruckende Bilder mit warmen Farben umsetzen lassen. Aber es geht hier nicht nur ums Angeln, genauer gesagt um seine höchste Form: das Fliegenfischen. Was die üblichen Feld-Wald-und-Wiesen Angler tun, ist ja nur einen Wurm solange baden, bis ein Fisch anbeißt. Die Kunst des Fliegenfischens ist das Zweit-Wichtigste im Leben des Pfarrers und seiner beiden recht unterschiedlichen Söhne (Craig Sheffer, Brad Pitt). Doch von Anfang an kann man das Ende ahnen. So wie die Charaktere der beiden angelegt sind, verläuft ihr Leben zwangsläufig in vorgegebenen Bahnen. Jeder geht seinen eigenen Weg und ist doch innerlich eng mit dem anderen verbunden. Stumme Blicke machen Absichten deutlich, stummes Einverständnis bedarf keiner Worte. Mit viel Feingefühl und großem Einfühlungsvermögen wird ihre persönliche Entwicklung geschildert, begleitet vom Kommentar, der am Ende auch noch den Titel erwähnt, der noch lyrischer ist als der des Originals. Leise und fast unbemerkt zieht sich dann die Kamera nach dem finalen Schocker zurück; ein knapper Kommentar berichtet von einem tragischen Ende und lässt uns mit einem starken Mitgefühl zurück. Und es wäre kein echter Redford, wenn nicht auch auf die Underdogs der Gesellschaft: hier die Indianer aufmerksamgemacht würde. Gutes Erzählkino mit Niveau.