Auf halbem Weg zum Himmel

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Überlebenden und die Toten

Dass man den Gespenstern der Vergangenheit nicht so ohne Weiteres entkommen kann, das wurde den Bewohnern der Gemeinde „Aurora 8 de Octubre“ auf der Finca Xamán in Chisec in Guatemala erst klar, als es bereits zu spät war. Man befand sich mitten in den Vorbereitungen für ein Dorffest, als eine Militärpatrouille sich der Siedlung näherte und Zutritt zu dem Dorf verlangte, angeblich um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Was die Situation noch angespannter werden ließ, war die Tatsache, dass viele der Bewohner von „Aurora 8 de Octubre“ Angehörige der indigenen Quiché waren, die nach jahrelangen Repressionen und Verfolgungen gerade erst aus dem mexikanischen Exil in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Und zwar erst nachdem man ihnen zugesichert hatte, dass sie künftig unbehelligt bleiben würden. Ein Versprechen, das sich an diesem 5. Oktober 1995 als trügerische Sicherheit erweisen sollte. Nach einer Demonstration der Dorfbewohner gegen die Militärpräsenz eröffneten die Soldaten schließlich das Feuer und töteten 12 Menschen, weitere 28 wurden verletzt.
Nun aber beginnt der zweite Teil der Geschichte. Und bei allem Entsetzen über das schreckliche Massaker macht dieser doch Mut, dass sich vielleicht doch langfristig etwas geändert haben könnte in Guatemala. Denn die Bewohner von „Aurora 8 de Octubre“ (als Nebenklägerin trat übrigens die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú Tum auf) setzen sich zur Wehr und wählen den langen und mühsamen Weg vor die Gerichte. Nach acht Jahren des mühsamen Prozessierens und verschiedenen Freisprüchen wurden die beteiligten Soldaten schließlich im Jahre 2004 zu je 40 Jahren Haft verurteilt. Ein später Sieg der Gerechtigkeit…

Zwölf Jahre lang haben die beiden Filmemacher Andrea Lammers und Ulrich Miller an diesem Filmprojekt gearbeitet. Schon alleine das verdeutlicht, wie sehr den beiden dieses Thema am Herzen liegen muss. Dennoch gelingt es dem Film trotz seiner Ausgewogenheit nur selten, die Distanz des Zuschauers zu überwinden. Was auch daher rühren mag, dass der Film mit seinen 106 Minuten deutlich zu lang geraten ist und sich stets peinlich genau um Ausgewogenheit und weitest mögliche Objektivität bemüht. Das ist zwar vom journalistischen Standpunkt her absolut zu begrüßen, verhindert aber auf der anderen Seite die Identifikation und Empathie mit den Dorfbewohnern. Auch die Art und Weise, wie die zahlreichen Informationen transportiert werden, trägt wenig dazu bei, das Gefühl der Distanz seitens des Zuschauers zu überwinden – vieles bleibt bruchstückhaft und erschließt sich erst, wenn man entsprechende Kenntnisse über die jüngere Vergangenheit Guatemalas und seiner indigenen Bevölkerungsteile mitbringt.

Auf halbem Weg zum Himmel behandelt ohne jeden Zweifel ein wichtiges Thema, das vor allem jene Zuschauer ansprechen dürfte, die ein besonderes Interesse an der Geschichte Guatemalas mitbringen. Angesichts zahlreicher ähnlicher Massaker in anderen Ländern vermisst man allerdings schon ein wenig die Weitung des Blicks der Filmemacher auf das Beispielhafte am Kampf der Bewohner der Siedlung „Aurora 8 de Octube“. Und gerade diese Perspektive hätte aus dem sauber recherchierten, aber auch ein wenig langatmigen Film ein Werk gemacht, das nicht nur Experten für die bewegte Vergangenheit Guatemalas angesprochen hätte.

Auf halbem Weg zum Himmel

Dass man den Gespenstern der Vergangenheit nicht so ohne Weiteres entkommen kann, das wurde den Bewohnern der Gemeinde „Aurora 8 de Octubre“ auf der Finca Xamán in Chisec in Guatemala erst klar, als es bereits zu spät war. Man befand sich mitten in den Vorbereitungen für ein Dorffest, als eine Militärpatrouille sich der Siedlung näherte und Zutritt zu dem Dorf verlangte, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen.
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