Auf der Walz

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unterwegs mit Tippelbrüdern

Suspekt waren die wandernden Handwerksgesellen den jeweiligen Obrigkeiten und auch manchen normalen Bürger schon immer ein wenig. Kein Wunder, dass der Ausdruck „Tippelbrüder“ für die Männer und Frauen in ihrer unverwechselbaren Kluft — Schlaghosen, Weste und Jackett und Hut, alles in Schwarz natürlich – heute einen despektierlichen Beiklang hat und irrtümlicherweise für Hausierer, Bettler und Nichtsesshafte gebraucht wird.
Überhaupt ist es erstaunlich, wie viele Ausdrücke unseres ganz alltäglichen Sprachgebrauchs aus der Welt der fahrenden Handwerksgesellen stammen: Wenn sich ein Geselle unehrenhaft verhalten hat, wird ihm der Ohrring herausgerissen, so dass er zum „Schlitzohr“ wird.

In unserer zunehmend an Effizienz ausgerichteten Arbeitswelt sind die wandernden Zimmerleute und Dachdecker, Betonbauer, Maurer, Bootsbauer, Töpfer, Schmiede, Steinmetze, Holzbildhauer, Instrumentenbauer und andere Berufsgruppen mittlerweile selten geworden. Seit der Industrialisierung hat die genau drei Jahre und einen Tag dauernde Gesellenwanderung beständig an Bedeutung verloren, sind die Zahlen der „Tippelbrüder“ stark rückläufig. Erst seit den 1980er Jahren und der Wiedervereinigung stabilisieren sich die Zahlen wieder. Im Jahre 2005 so schätzt man, waren 600 bis 800 Gesellen auf Wanderschaft, darunter rund zehn Prozent Frauen.

Die Regisseurin Julia Daschner zeigt in ihrem Film Auf der Walz die nach wie vor faszinierende Wanderschaft der Handwerksgesellen. Ganz allein mit der Kamera hat sie fünf Handwerker begleitet, zeigt die Rituale und altertümlich anmutenden Gebräuche, lauscht den Handwerksliedern und Rätseln, mit denen sich die jungen Leute die Zeit vertreiben und entführt in eine Welt, von der man nur hoffen kann, dass sie noch so lange wie möglich erhalten bleibt.

Dabei verzichtet sie auf jeglichen Kommentar und erklärende Inserts, die über das Wo und Wie aufklären, so dass man sich als Zuschauer manches erst mühsam selbst erschließen muss. Dennoch fasziniert der Film gerade durch seine Schlichtheit und den Verzicht auf ausufernde Erklärung und ist eher schon ein Essay, das vor allem über das (Nach)Empfinden seine Zuschauer verzaubern will. Ein Unternehmen, das durchaus gelingt.

Sichtlich fasziniert vom Gegenstand ihrer Beobachtung präsentiert die Regisseurin Julia Daschner ihren Film ebenfalls nach Art der Gesellen: Sie unternimmt eine ausgedehnte Kinotour, wo sie den Film persönlich vorstellen wird, einen bundesweit einheitlichen Kinostart des Films gibt es deshalb nicht Da sie auf dieser Wanderschaft von manchen ihrer Protagonisten begleitet wird, empfiehlt sich ein Besuch der Veranstaltungen umso mehr für all jene, die mehr über das Leben auf Wanderschaft wissen wollen. Die genauen Termine zur Kinotour finden sich auf der Website des Films.

Auf der Walz

Suspekt waren die wandernden Handwerksgesellen den jeweiligen Obrigkeiten und auch manchen normalen Bürger schon immer ein wenig. Kein Wunder, dass der Ausdruck „Tippelbrüder“ für die Männer und Frauen ihrer unverwechselbaren Kluft — Schlaghosen, Weste und Jackett und Hut, alles in Schwarz natürlich – heute einen despektierlichen Beiklang hat und irrtümlicherweise für Hausierer, Bettler und Nichtsesshafte gebraucht wird.
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Meinungen

Manuel · 08.12.2011

Also wer mehr über die Walz wissen möchte oder einen unterhaltsamen Dokumentarfilm anschauen möchte, für den ist der Film warscheinlich weniger geeignet. Es wird einfach nur gezeigt was die "Tippelbrüder" während dieser Zeit machen. Allerdings weiß man oft gar nicht warum irgendwas passiert. Man muss sich eben sehr viel dazudenken und das führt manchmal zu Unverständnis. Wenn sich jemand richtig in diese Situation auf der Walz hineinversetzen möchte der ist mit diesem Film gut bedient.

Jenny und Heiko (der Zimmermann) ;-) · 06.10.2010

Wo bekomme ich denn den film zu kaufen???

gesche · 02.08.2010

gibt es den auch bald auf dvd?