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Um den deutschen Wald und seine Tierwelt ranken sich romantische Vorstellungen, während das Hobby der Jagd beim modernen Menschen in Verruf geraten ist. Die Dokumentarfilmerin Alice Agneskirchner hält solchen Klischees eine Realität entgegen, in der Behörden den Wildbestand in der Natur eindämmen.

Auf der Jagd - Wem gehört die Natur? (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Im Wald regiert der Abschussplan

Nebelschwaden wabern durch das Halbdunkel des Waldes. Plötzlich tauchen im Hintergrund Wölfe auf, die auf die Kamera zulaufen. Wieder und wieder geraten die Raubtiere ins Bild, manchmal ist ihr Atem zu hören, der dem Rhythmus ihres Laufs folgt. Schon die ersten Aufnahmen des Dokumentarfilms von Alice Agneskirchner („Ein Apartment in Berlin“) beschwören romantische Naturvorstellungen herauf.

Eine mystische Stimmung herrscht in diesen Wäldern, verwandelt sie in Orte, an denen Fuchs und Hase einander gute Nacht sagen könnten und die Fantasie des Betrachters die Wildnis ins Märchenhafte kehrt. Wenn dann auf einen einsamen Jäger geschnitten wird, der auf einen Bergbach blickt, glaubt man sich direkt in ein altes deutsches Bilderbuch versetzt. Doch die Realität ist im gegenwärtigen Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen, der die Erde grundlegend verändert, eine andere, wie der Voice-Over-Kommentar bald betont. Wildtiere haben in der Kulturlandschaft – auch der Wald ist in Deutschland zu 90 Prozent Nutzfläche – nur noch den Status halbwegs geduldeter Lebewesen. Das Gesetz sieht vor, dass alle Flächen, die nicht zu Städten und Ortschaften gehören, bejagt werden. 

Die knapp 384.000 JägerInnen, die es in Deutschland gibt, müssen in ihren Revieren Abschusspläne erfüllen, sonst droht ihnen eine Geldbuße und der Entzug des Reviers. Diejenigen von ihnen, die im Film Auskunft geben und sich auf Pirsch und Jagd über die Schulter schauen lassen, stehen den Abschussvorgaben erstaunlich kritisch gegenüber. Viele bezeichnen sie als zu hoch. Im oberbayerischen Alpenraum gibt es derzeit sogar einen ausgemachten Konflikt zwischen JägerInnen und Forstbehörden, weil jährlich Hunderte von Gämsen geschossen werden sollen, um den Wald vor Wildverbiss zu schützen. Um die Abschusszahlen zu erreichen, müssten hier und da, wie manche JägerInnen beklagen, auch Jungtiere erlegt werden, wodurch der Population die Ausrottung drohe. 

Der Dokumentarfilm zeichnet ein differenziertes Bild der Jagd und ihrer Anhänger, die sich nicht selten auch für Tierschutz interessieren. Agneskirchner beobachtet einen Jagdtag in Ostdeutschland, besucht eine Hubertusmesse in Bayern, nimmt die eigentümlichen Rituale und die Traditionsverbundenheit des Milieus ins Visier. Ein kurzer Abstecher zu sechs Jägerinnen vom Stamm der Algonquin in Kanada dient ebenfalls dazu, das negative Image zu hinterfragen, das die Jagd in Deutschland hat. 

Das interessantere Thema aber ist die Regulierungswut, mit der die Gesellschaft die Natur und ihre Fauna überzieht. Hirsche, die vom Menschen längst von Wiesen in entlegene Waldgebiete zurückgedrängt wurden, müssen in den Wintermonaten gefüttert werden, um durchzukommen. Sie werden nur noch in bestimmten Arealen toleriert. Die meisten Naturliebhaber, die gerne im Wald spazieren oder wandern, wissen vermutlich gar nicht, dass die Wildnis auch hier kein echtes Refugium mehr hat, der Bestand vieler Tierarten quasi durchnummeriert ist. Schuld an dieser Ignoranz mag das Bedürfnis sein, den Wald weiterhin als ursprünglichen Raum zu begreifen. Nicht von ungefähr sind es auch die wunderschönen, qualitativ hochwertigen Aufnahmen der Natur und ihrer Tierwelt, die diesen Film zum Genuss werden lassen.

Auf der Jagd - Wem gehört die Natur? (2018)

Wem gehört die Natur? Den Tieren? Den Menschen? Oder sollte sie einfach sich selbst überlassen sein? Und gibt es sie überhaupt noch, die unberührte Natur? Fragen, die komplexer sind, als sie zunächst scheinen mögen. Auf der Suche nach antworten begibt sich der Film in den Mikrokosmos des Waldes

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Meinungen

Gartenjule · 10.05.2018

Ein Film, den man schauen sollte und der zum Nachdenken auffordert. Natur und Regulierungsinteresse sind wohl kaum mittels Quoten in Übereinklang zu bringen.