Antboy

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Über Nacht ist der Zucker alle

Natürlich gibt es einen Moment des tiefen Zweifels in diesem Film: Wenn der Held, von seinem Gegner übermannt und vor der Geliebten gedemütigt, in einer Zelle aus unüberwindbarem Glas steht und, den Kopf gesenkt, über sein Schicksal und seine Aufgabe nachsinnt. Kein Superheldenfilm seit Spider-Man und The Dark Knight kann mehr dahinter zurück, und Antboy schenkt der Entwicklung und den Zweifeln seines Protagonisten eher noch mehr Raum.
Nur sind die anderen Superhelden keine schüchternen zwölfjährigen Jungen aus Middellund, zart verliebt in die Klassenkameradin Amanda… Pelle Nørhmann hat Riesenkräfte, kann Wände hochklettern und mit seinem Urin Vorhängeschlösser durchätzen. Was man halt eines Morgens kann, wenn man am Tag vorher von einer Ameise gebissen wurde, die Teil eines biologischen Experiments war.

Erst der Computer- und Comicnerd Wilhelm, mit dem sonst keiner redet, macht ihm klar, dass er das Zeug zu einem richtigen Superhelden hat, und hilft ihm mit seinem Enthusiasmus und bei der Auswahl von Kostüm und Namen. Nun ist er „Antboy“ und muss sich dem „Floh“ entgegenstellen, einem Erwachsenen mit der Kraft zu Supersprüngen – man ahnt es schon, da waren die Experimente womöglich auch mit anderen Insekten beschäftigt.

Kinderfilme, die sich „erwachsener“ Genres bedienen, haben immer ein gewisses Transpositionsproblem: Wie bringt man Spannung und Standardsituationen der Genrefilme auf ein für Kinder verständliches und verarbeitbares Niveau, erhält aber zugleich die Spannung aufrecht? Alfie, der kleine Werwolf hat das erst neulich mit dem Werwolfgenre für ein sehr junges Publikum recht erfolgreich versucht – und dabei, logischerweise, vor allem auf den Schrecken verzichtet.

Strukturell orientiert sich Antboy, der lose auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Kenneth Bøgh Andersen basiert, an Sam Raimis Spider-Man als großem Vorbild – mit etwas weniger Pathos, aber genauso viel Coming-of-Age. Und dabei bleibt er stets mit seinem jungen Publikum auf Augenhöhe. Ask Hasselbalchs erster Langfilm verschiebt den Superhelden in ein Umfeld – Familie, Schule, erste, zarte Liebe –, das für Kinder im Alter des Protagonisten (und jüngere) unmittelbar verständlich und nachvollziehbar ist.

Vor allem aber begeht er nicht den Fehler vieler Abenteuerfilme, den oder die Antagonisten als lächerlich und ungefährlich darzustellen; so bleibt es spannend, und die Auflösung verlangt von Pelle vor allem, sich selbst weiterzuentwickeln. So gerät sein kleiner Schritt in Richtung Erwachsensein nicht zu einer mühsam auf die Handlung aufgesetzten Erkenntnis, sondern zu einer Erfahrung, die sich zwingend aus dem Geschehen ergibt.

Das ist, um es platt zu sagen, natürlich zuallererst einmal gutes Geschichtenerzählen. Bei Antboy äußert sich das auch in einem soliden Drehbuch und in einer Inszenierung, die nicht nur die jungen Darsteller ihren Fähigkeiten gemäß einzusetzen versteht, sondern auch auf große Spezialeffekte verzichtet – aber ab und an kracht es schon mal ein wenig. Welches Kind sieht nicht gerne dabei zu, wie Mobiliar und Wände einer Schule kurz und klein geschlagen werden?

Und hatte ich erwähnt, dass Pelle andauernd reichlich Süßigkeiten und Zuckerkrams essen muss, um seine Kräfte zu erhalten? Antboy hat das Zeug zur großen Identifikationsfigur in Kinderzimmern.

Antboy

Natürlich gibt es einen Moment des tiefen Zweifels in diesem Film: Wenn der Held, von seinem Gegner übermannt und vor der Geliebten gedemütigt, in einer Zelle aus unüberwindbarem Glas steht und, den Kopf gesenkt, über sein Schicksal und seine Aufgabe nachsinnt. Kein Superheldenfilm seit „Spider-Man“ und „The Dark Knight“ kann mehr dahinter zurück, und Antboy schenkt der Entwicklung und den Zweifel seines Protagonisten eher noch mehr Raum.
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