Across the River

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Den Schrecken einfach nicht auflösen

Marco Contrada ist es gewohnt, allein und fern von Menschen zu arbeiten. Tief in den Wäldern des nordöstlichen Italiens, kurz vor der Grenze zu Slowenien, stellt er Lebendfallen, sucht nach Wildschweinspuren und stattet seine Überwachungskameras mit frischen Batterien und Speicherkarten aus. Auf der Spur eines Fuchses gerät der Biologe so mit seinem kleinen Wohnmobil in ein entlegenes, verlassenes Dorf; wegen einsetzender Regenfälle ist ihm der Rückweg verwehrt.
Das italienische Genrekino hat eine durchaus große Tradition des visuellen Erzählens, die vor allem in den schmuddeligeren Ecken des Filmemachens großartige Blüten trieb. Gialli bezogen ihre Kraft nicht hauptsächlich aus den Kriminalgeschichten, nicht aus der Aufregung um Mord, Sex und Recherchen, nicht aus den Stories; die eigentlichen Qualitäten der Filme von Argento, Fulci und Bava liegen in der Art und Weise des Erzählens, in den sprechenden (und zugleich rätselhaften) Bildern und in ihrer einzigartigen Verbindung von Bild und Ton, nicht zuletzt der Musik.

Es ist diese Tradition, in die sich Lorenzo Bianchini mit Across the River einschreibt, auch wenn er hier natürlich etwas völlig anderes macht als einen Giallo – er flicht einen beängstigend ruhigen, schweigsamen Thriller, eine Gruselgeschichte aus dunklen Bildern und rätselhaften Geräuschen. Fast niemand spricht; als einzige Stimme ist zunächst fast nur Marco selbst zu hören, wenn er Beobachtungen oder Arbeitsergebnisse in sein Diktiergerät spricht. Aber die Geräusche und Bewegungen im Wald, im Dorf, in den Häusern, all das ist präzise eingesetzt und verdichtet sich zu einer Geistergeschichte von geradezu hypnotischem Sog.

Die Nacht, die Natur; zerrissene Laken, ein Foto in der alten Schule, ein Mädchenkleid; herumliegende Tierknochen, noch mit frischem Blut versetzt, gehören noch zu den schärfsten Schockeffekten, derer sich Bianchini bedient. Across the River kommt über achtzig Minuten lang ganz ohne solche Schreckmomente aus und verdichtet stattdessen seine Atmosphäre ins schier Unerträgliche; wenn sie sich dann schließlich doch in einem Splattermoment entlädt, ist das Eigentliche schon vorbei – der versehrte Körper ist eher Dokumentation als Drohung und dadurch womöglich im Nachhinein noch furchtbarer.

Durch das Spiel mit unterschiedlichen Farbräumen und Bildformen trennt Bianchini sehr effektiv verschiedene Perspektiven des Films (zu Marcos Geschichte kommt noch, erst sehr sporadisch, dann etwas dominanter, eine andere Erzählung hinzu, die dem Zuschauer die Hintergründe scheinbar etwas offenlegt, die der Biologe in seiner Einsamkeit nie zu hören bekommt); größere Sicherheit und festere Realität bietet die Welt dadurch aber nicht.

Aus seinen bescheidenen Mitteln hat Bianchini durch äußerste Beschränkung und einen klaren stilistischen Zugriff hier das meiste herausgeholt; Across the River erfindet zwar in seinen so knappen wie durch die kontinuierliche Stimmung von Bedrohlichkeit ewig lang wirkenden 88 Minuten nicht den Horrorfilm neu, ist aber doch in seiner atmosphärischen Dichte und seiner konsequenten Verweigerung billiger Effekte eine Ausnahmeerscheinung. Gerade gegenüber so repetitiven Horrorfilmerscheinungen wie Paranormal Activity etwa zeigt sich deutlich, wie sehr die Beschränkung ein Gewinn sein kann. Zarte Gemüter sollten um den Film einen großen Bogen machen.

Across the River

Marco Contrada ist es gewohnt, allein und fern von Menschen zu arbeiten. Tief in den Wäldern des nordöstlichen Italiens, kurz vor der Grenze zu Slowenien, stellt er Lebendfallen, sucht nach Wildschweinspuren und stattet seine Überwachungskameras mit frischen Batterien und Speicherkarten aus. Auf der Spur eines Fuchses gerät der Biologe so mit seinem kleinen Wohnmobil in ein entlegenes, verlassenes Dorf; wegen einsetzender Regenfälle ist ihm der Rückweg verwehrt.
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