A Serious Man

Eine Filmkritik von Malte Can

Ein cineastischer Volltreffer der Coen-Brüder

In ihrem letzten Streifen Burn After Reading verwendeten die Coen-Brüder eine dubiose CD-Rom um die verästelte Story in Gang zu bringen. In ihrem neusten gemeinsamen Werk A Serious Man ist es ein beschlagnahmter Walkman, der zumindest die Spannung der Nebenhandlung aufwirft.
Die Geschichte spielt in einem amerikanischen Vorort in den späten Sechzigern, der ebenso namenlos ist wie die Darsteller dieses hochkarätigen Ensembles, das die Coens meisterlich im Griff haben. Genauso wie den eigenwilligen Blick auf die Geschichte, der besonders dann zum Genuss wird, wenn herausgestellte Kontraste und Analogien das lose Geschehen schon von Beginn an poetisch rahmen.

Wie gut, dass der 13jährige Danny Gopnik (Aaron Wolff) dank seines Walkmanns den ätzenden Hebräisch-Unterricht mit „Somebody to love“ heimlich hinter seinem aufgeschlagenen Buch übertönen kann. Bis der orthodoxe Lehrer ihn dabei erwischt und das Hightech-Gerät in Beschlag nimmt, bleibt die Kamera entlarvend komisch in der Perspektive der aus dem Ohr dudelnden Musik. Dann folgt ein sinnstiftender Schnitt auf das Ohr des hypochondrischen, deprimierten Vaters Larry (Michael Stuhlbarg). Der Arzt kann in seiner Muschel jedoch nichts feststellen und entlässt den Professor zurück in seinen Uni-Alltag und die verzweifelte Lebenskrise. Nach einem zermürbenden Seminar steht wenig später der koreanische Student Clive (David Kang) in seinem Büro. Er bittet Larry um eine bessere Note, damit er sein Stipendium behält und nicht durchfällt. Doch Larry, der kurz vor seiner Verbeamtung steht, geht nicht auf den Wunsch dieses Sonderlings ein. „Handlungen haben immer Konsequenzen“ entgegnet Larry dem niedergeschlagenen Studenten fast nüchtern-philosophisch.

„Ja, Sir…meistens“ antwortet Clive trocken und hinterlässt unbemerkt einen Umschlag mit Geld auf seinem Schreibtisch bevor er den Raum verlässt und man nicht weiß, ob er jetzt Amok läuft oder sich gleich das Leben nimmt. Larry ist ratlos. Und dann wird ihm in einer quälend langen Unterredung mit dem Chef der Fakultät dezent angedeutet, er soll sich keine Sorgen machen wegen der Verbeamtung. Nein wirklich nicht. Oder doch?

Nachdem sein abscheulicher und obdachloser Bruder, ein verkanntes Genie, das sich mittlerweile auf dem Sofa eingenistet hat, stundenlang die Talgzyste entleert und Larrys hinterlistiger Tochter so das Badezimmer blockiert, verliert Larry so langsam die endgültig Nerven. Und dann reicht auch noch seine schlecht gelaunte Ehefrau Judith (Sari Lennick) die Scheidung ein, um mit ihrem neuen Lover, dem Wichtigteuer und der Nervensäge Sy, durchzubrennen. Judith macht Larry noch allen Ernstes den Vorschlag, in das örtliche Motel „Jolly Roger“ umziehen. Larry ist am Ende. Als einziger Lichtblick bleiben verstohlene Blicke vom Dach in den anliegenden Garten, wo die sich Nachbarin freizügig in der Sonne brät. Sein Sohn Danny bricht derweil bei seinem strenggläubigen Lehrer ein, um sich den einkassierten Walkman zurückzuholen.

All diese köstlichen Handlungen haben dann weitere Konsequenzen. Meistens. Und zwar zumeist sind dies wegen ihrer waghalsigen Unvorhersehbarkeit unglaublich komische: Als anonyme denunzierende Briefe die Uni-Leitung erreichen, scheint die erwünschte Versetzung zu kippen. Alles deutet auf den Koreaner.

Der Besuch beim Rabbi, von dem Larry sich Erlösung erhofft hatte, entpuppt sich als Reinfall, weil dieser – trotz offensichtlicher Tatenlosigkeit —  von einem unfähigen Junior-Rabbi vertreten wird. Der inzwischen eingeschaltete Scheidungsanwalt kostet ein Vermögen, ein von ihm verursachter Autounfall halst Larry weitere Unsummen auf und kostet dem neuen Ehemann seiner Exfrau das Leben, dessen Beerdigungskosten er auch noch übernehmen soll. Und in dieses ohnehin schon schreckliche Dasein träumt Larry weitere Alpträume hinein, die wunderbar mit dem Geschehen verschmelzen, weil sie bloß wie eine Abschweifung innerhalb eines ohnehin bitterbösen Traumes erscheinen.

A Serious Man schafft es neben dieser Suche nach Sinn und einem normalen Leben eines getretenen Menschen gleichzeitig eine würdevolle Studie über die Absurdität des gelebten Judentums zu erzählen, ohne zu nerven, ohne sich vordergründig lustig zu machen. Im Gegenteil könnte man sagen: Der Film nimmt sich und seine Figuren extrem ernst, sodass man schnell geneigt ist, auch außerhalb der Fiktion ganz selbstverständlich von der (realen) Existenz dieser Figuren auszugehen. Ein exzellentes Zeugnis für Figurenglaubwürdigkeit, die aber auch darauf fusst, dass die Gesichter samt und sonders eher unbekannt sind.

Die ständig spürbare Hartnäckigkeit des Erzählens, der konsequent durchgehaltene Stilwille, der zuweilen boshafte Ton kreieren und hinterlassen unvergessliche Momente der Nachdenklichkeit und der Komik, die man in einer so reinen und brillanten Form leider selten zu sehen bekommt. Der neuste Streich der Coens ist ein echter Volltreffer — I’m serious.

A Serious Man

In ihrem letzten Streifen „Burn After Reading“ verwendeten die Coen-Brüder eine dubiose CD-Rom um die verästelte Story in Gang zu bringen. In ihrem neusten gemeinsamen Werk „A Serious Man“ ist es ein beschlagnahmter Walkman, der zumindest die Spannung der Nebenhandlung aufwirft.
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Meinungen

GEWISSEN · 07.02.2010

Absoluter ****!

Carla · 04.02.2010

Absolut sehenswert. Endlich einmal ein Film, der weder billige noch teure Lösungen anbietet, sonder gar keine. Eine Satire zum Mitdenken, die einen noch länger beschäftigt.

sternenfels · 25.01.2010

Habe den Prolog nicht so ganz verstanden. Der Film ist absolut sehenswert und ein Meisterstück. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass dieser Film n i c h t von W.Allen ist hätte ich meinen Arsch drauf verwettet, dass er das Drehbuch geschrieben hat.

Adio · 14.01.2010

Als die Coen Brothers zuletzt den Oscar bekamen, bedankten sie sich, dass sie in ihrer Ecke des Sandkastens spielen dürfen. Und genau das machen sie mit A Serious Man in Höchstform. Die Tragikkomödie ist skurril, bizarr, ungewöhnlich, verschroben, anders. Für die breite Masse ist er definitiv nichts - und das ist auch gut so!