7 Tage im September

Eine Filmkritik von Benjamin Wirtz

Ein Rekordversuch im Schatten des Unglücks

Man hat bei 7 Tage im September von Karsten Scheuren manchmal fast das Gefühl, zwei verschiedene Filme zu sehen. Der Film beginnt als Bericht einer gefährlichen Reise in den Himalaya und geht dann in einen Katastrophenfilm über, bevor er zum Schluss wieder zur Bergsteigerexpedition zurückkehrt. Wenn man so will, eine Berg-und Talfahrt der Emotionen des Zuschauers, die der Verschiedenartigkeit des Sujets durchaus angemessen ist.
Benedikt Böhm will mit fünf anderen Bergsteigern den Achttausender Manaslu in Nepal besteigen – und zwar in einer Rekordzeit von unter 24 Stunden vom Base Camp bis auf den Gipfel und wieder zurück. Gemeinsam erklären die Alpinisten vor der Kamera ihr Vorhaben und zeichnen den vor ihnen liegenden Weg auf einer Karte nach. Sie erzählen von einem gescheiterten Versuch in der Vergangenheit und albern auf den ersten Stationen ihres Aufstiegs vor der Kamera herum. Sie erklären die Tücken des Berges und worauf die Bergsteiger achten müssen. Ein typischer Dokumentarfilm über eine Gruppe von Extremsportlern, so scheint es.

Dann aber gibt es plötzlich einen extremen Umschwung. Eine Lawine geht nahe der sechs Bergsteiger herunter und reißt ein Bergsteigercamp mit sich. Böhm und seine Freunde eilen zu Hilfe und können Verschüttete retten, doch für viele Menschen gibt es keine Rettung mehr: Elf Menschen sterben bei dem Unglück. Plötzlich befindet man sich mitten in einem Dokumentarfilm über eine Naturkatastrophe, der vor allem deshalb emotional erschüttert, weil man zuvor am persönlichen Schicksal von Bergsteigern teilgenommen hat.

Nach dem Lawinenunglück ist die Gruppe sich uneinig. Drei der Teilnehmer wollen die Expedition abbrechen und nach Hause fahren. Die anderen drei, darunter Böhm, wollen dennoch den Gipfel bezwingen, also trennen sie sich. Böhm schafft es aber tatsächlich, den erhofften Rekord aufzustellen: 23,5 Stunden braucht er vom Base Camp auf den Gipfel und zurück. Seine beiden Gefährten mussten kurz vorm Ziel aufgeben. Doch das Triumphgefühl hält nicht wirklich an. Zu sehr ist der Erfolg von dem Unglück überschattet.

Zu Beginn von 7 Tage im September werden verschiedene Bilder gegenübergestellt, deren Bedeutung später eine der zentralen Fragen des Films verdeutlichen wird. Zunächst sieht man wunderschöne Landschaftsaufnahmen von einem Berg. Dann folgen Bilder des alltäglichen Familienlebens des Extrembergsteigers Benedikt Böhm. Die Frage, die implizit hinter dieser Reihung steckt: Ist das eine es wert, das andere zu verlieren?

Der Film bewegt sich auf einem schmalen Grat – und doch bewältigt er ihn. Er hätte leicht Böhm und die anderen als respektlos darstellen können, als sie nach dem tödlichen Lawinenunglück einfach weitermachen. Er hätte andererseits auch den Toten gegenüber respektlos werden können, indem er sich zu sehr auf den Rekordversuch konzentriert. Doch 7 Tage im September schafft den Spagat zwischen der Darstellung von Menschen mit einer extremen Begeisterung fürs Bergsteigen und einer angemessenen Auseinandersetzung mit dem tragischen Bergsteigerunglück. Das liegt zum großen Teil daran, dass er sich durch seine Erzählweise in verschiedene Teile gliedert.

Als Rahmen erzählt er in lockerem, beinahe fröhlichem Stil von Böhm und dem Rekordversuch, und in der Mitte des Films schildert er das Unglück und dessen Folgen. Und egal, welche Haltung und Thematik er auch aufgreift – er bleibt dabei immer einfühlend und respektvoll, zugleich aber auch neugierig und interessiert an den Emotionen: Karsten Scheuren weicht den ergreifenden Interviews mit Überlebenden und Angehörigen der Verunglückten nicht aus, gleichzeitig aber bleibt er an den Bergsteigern dran, die sich vom Unglücksort weiter auf den Weg zum Gipfel machen. Als Zuschauer neigt man zwar oft dazu, die ein oder andere Handlung und Meinung vorschnell zu verurteilen, doch Scheuren greift dann stets frühzeitig ein und liefert eine überzeugende Gegenposition.

Darüber hinaus stellt der Film große Fragen über Moral und das Leben. Was bringt diese Menschen dazu, ihr Leben zu riskieren? Wie geht es ihnen, wenn das Abenteuer vorbei ist? Geht die Suche nach der Gefahr immer weiter oder ist irgendwann einmal eine Sättigung erreicht? Und in diesem Film ganz konkret: Ist es unmoralisch und respektlos den Toten und den eigenen Familienangehörigen gegenüber, wenn die Bergsteiger sich kurz nach dem Lawinenunglück auf den Weg zum Gipfel des Berges machen? Hochspannende Fragen, die zum Nachdenken anregen.

7 Tage im September

Man hat bei „7 Tage im September“ von Karsten Scheuren manchmal fast das Gefühl, zwei verschiedene Filme zu sehen. Der Film beginnt als Bericht einer gefährlichen Reise in den Himalaya und geht dann in einen Katastrophenfilm über, bevor er zum Schluss wieder zur Bergsteigerexpedition zurückkehrt. Wenn man so will, eine Berg-und Talfahrt der Emotionen des Zuschauers, die der Verschiedenartigkeit des Sujets durchaus angemessen ist.
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