50/50 - Freunde fürs (Über)leben (2011)

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Ein romantisches Krebs-Gimmick

Im Vorspann von 50/50 — Freunde fürs (Über)Leben sehen wir den 27-jährigen Adam (Joseph Gordon-Levitt) beim Laufen. An einer roten Ampel hält er an, tritt auf der Stelle und obwohl weit und breit kein Auto zu sehen ist, obwohl eine weitere Joggerin bereits längst die Straße bei Rot überquert hat, wird es Adam nicht wagen, weiter zu laufen, bevor die Ampel nicht wieder auf Grün springt. Er ist nett, freundlich, zuvorkommend und verständnisvoll. Das alles wissen wir, noch bevor er nur ein Wort sagt und bevor uns Jonathan Levines Film zeigt, dass Adam auch eine süße Freundin, Rachael (Bryce Dallas Howard), einen guten Job und mit Kyle (Seth Rogen) einen aufgeweckten und herzlichen Kumpel hat.

Doch wie so häufig im Kino sollte man sofort Verdacht schöpfen, wenn uns perfekte Lebensentwürfe präsentiert werden. Meistens sind sie nur dafür da, um uns vor Augen zu führen, wie zerbrechlich und flüchtig sie sind. Und tatsächlich, der Film ist noch keine zehn Minuten alt, da wird beim perfekten Adam Krebs diagnostiziert. Ein seltener Tumor, der entlang seiner Wirbelsäule verläuft. Die Chancen stehen – wie Adam selber im Internet recherchiert – fünfzig zu fünfzig. Die Behandlung ist riskant. Der nötige Rückhalt kommt in dieser schweren Zeit eher von Kyle und der jungen Therapeutin Katherine (Anna Kendrick), als von Adams Freundin. Denn Rachael beschließt den todkranken Mann zu betrügen.

Das Drehbuch für den Streifen stammt von Will Reiser, der mit dem Skript seine eigene Krebserfahrung verarbeitet. Aber keine Angst: 50/50 ist kein deprimierender Film über einen unausweichlichen Krankheitsverlauf, er ist eine marginal gelungene romantische Komödie inklusive einem Krebs-Gimmick. Ein Feel-Good-Movie über das vermeintliche Leben mit einer Feel-Bad-Krankheit. Der Krebs ist hier Konstrukt, nur dafür da, um ein paar Witze über Chemotherapie und ausfallende Haare zu machen, die obligatorische Träne im Auge der Sitznachbarin nicht zu vergessen, schließlich gilt die Gleichung: „Krebs + junger Mensch = tragisch“. Das heißt nicht, dass man keine lustigen Filme über Krebs machen kann. Doch die (gerne auch rabenschwarze) Komik, sollte sich nicht im wohligen Indiemusik-Tränenkitsch erschöpfen. Das Ärgerlichste an 50/50 ist daher seine offensichtliche Kalkulation mit Emotionen und seine erstaunliche Gleichgültigkeit gegenüber den mitunter interessanten Personenkonstellationen.

Nur selten nimmt er sich Zeit die Beziehungen zwischen den Figuren zu vertiefen. Da muss ein kurzer Dialog zwischen Kyle und Adam auf einer Parkbank („Erinnerst du dich an den Abschlussball?“) reichen, um die alte Freundschaft zu beschreiben. Dabei gehören die Szenen zwischen den beiden Freunden zu den besten des Films. Das liegt sicherlich am charmant-ruppigen Auftreten von Seth Rogen, der die Rolle des liebevoll-nervigen Freundes im amerikanischen Kino zur Zeit verkörpert wie sonst kein anderer. In einer – viel zu kleinen – Nebenrolle ist zudem Angelica Huston als Adams Mutter(monster) zu bewundern. Es sind halt die Darsteller die diesen Film erträglich machen. Aber seine ganz großen Schwächen kann auch die charmanteste Besetzung nicht kaschieren.

50/50 scheitert letztlich daran, dass er sich nicht traut, die recht simplen Konventionen der romantischen Komödie mutig zu verbiegen und zu verdrehen. Dadurch erhält der Film aber auch ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. So wirkt das Verhalten des Bryce Dallas Howard-Charakters äußerst falsch und konstruiert. Sie ist der offensichtliche Fremdkörper, der Tumor der Erzählung, der ihre Mängel am deutlichsten aufzeigt. Es ist ein nicht von der Hand zu weisendes Problem in einem Film, der seine Grundkonstellation viel zu ernst nimmt, und dabei vergisst, dass es hier doch nur darum geht, den Patienten mit der Therapeutin zu verkuppeln.
 

50/50 - Freunde fürs (Über)leben (2011)

Im Vorspann von „50/50 — Freunde fürs (Über)Leben“ sehen wir den 27-jährigen Adam (Joseph Gordon-Levitt) beim Laufen. An einer roten Ampel hält er an, tritt auf der Stelle und obwohl weit und breit kein Auto zu sehen ist, obwohl eine weitere Joggerin bereits längst die Straße bei Rot überquert hat, wird es Adam nicht wagen, weiter zu laufen, bevor die Ampel nicht wieder auf Grün springt. Er ist nett, freundlich, zuvorkommend und verständnisvoll.

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Meinungen

Kinofan · 03.05.2012

Auch ich kann nur die Meinung des vorigen Kommentars unterstreichen. Ich habe mich sehr unterhalten gefühlt und kann den Film nur empfehlen, wenn man einen Film anschauen möchte, der einen auf der einen Seite zum Lachen bringt, auf der anderen Seite aber auch zum Nachdenken anregt. Das Schauspieler-Ensemble war einfach nur erfrischend!
Ich habe mich seit langem mal wieder im Kino unterhalten gefühlt.

Michel Vauthier · 30.03.2012

Ich glaube, Herr Wellinski hat einen anderen Film gesehen als ich. Habe den Film in den USA gesehen. Keinen einzigen dieser Kritikpunkte könnte ich unterschreiben. Der Film hält perfekt die Balance zwischen Tragik und Komik - ihm hier zu unterstellen, dass er spekulativ und nicht an den Personenkonstellationen interssiert sei, ist schlichtweg falsch - typisch deutsches Kritikergeschwurbel von jemandem, der offenbar Probleme damit hat, wenn ein Film nicht gleich mit Dresenschem Realismus, sondern mit einer Leichtigkeit daherkommt, die dem deutschen Kinozuschauer gefallen wird. Alleine den Film als "marginal gelungene romantische Komödie" (Häh??) zu bezeichnen ist Beweis genug, dass der Autor schlichtweg den Film nicht begriffen hat. Von mir - Zuschauer und Zielgruppe dieses Films - bekommt er die absolute Höchstwertung. Unerträglich, wenn es einer gepeinigten Filmkritkerseele, die vermutlich selber kein ansatzweise gelungenes Drehbuch hinbekäme, gelänge, Menschen von diesem Film fernzuhalten, Deshalb Leute: Anschauen. Unbedingt. Und weitererzählen.